Luisa
(eine kleine Weihnachtsgeschichte) - fünfter Teil

 (was bisher geschah:
Teil 1  Teil 2  Teil 3  Teil 4)


Rudolf ging zur Tür und öffnete. Erst die Tür und dann voller Erstaunen den Mund. Sowohl Tür als auch Mund blieben bis auf weiteres offen.

"Das gibt es doch nicht" sagte er atemlos. "Doch, das gibt es" kam die Antwort.

Und nun wurde Rudi gleich von vier Personen umarmt. Denn sein Sohn war mit Frau und den beiden Kindern gekommen. Aus Kanada eingeflogen.

"Sagt mal, seid ihr es wirklich", "Mensch, seid ihr groß geworden" und "erzählt doch mal" ...

Und dann begann der Sohn zu erzählen. Er wurde ganz ernst dabei und sagte dem Vater, dass er schon die ganze Zeit Gewissensbisse hatte, den Vater so zu vernachlässigen. Er wäre schon längst gerne zu Besuch gekommen, aber ... und nun stockte der Redefluss "aber wir hatten kein Geld. Ich habe mich nicht getraut, es dir zu sagen. Du hättest mir dann unbedingt aushelfen wollen, dabei hast du selbst nicht viel mit Deiner kleinen Rente. Und ich war auch ein bißchen zu stolz dazu, muss ich ehrlich zugeben, ich wollte nicht, dass du weisst, dass dein Sohn, der mit großen Plänen und Sprüchen nach Amerika gezogen ist, nun dort ganz kleine Brötchen backen muss".

"Mensch, Junge, dummer Junge ... warum hast du mir nichts gesagt." sagte Rudolf, aber mehr wollte er nicht schimpfen, denn insgeheim ... hatte er sich selbst im Verhalten seines Sohnes wiedererkannt. Er hätte in jungen Jahren genauso gehandelt. "Ach, ist das schön, dass ihr wieder da seid" wechselte er das Thema, musste aber nochmal nachhaken "und es ist schön, dass die Geschäfte jetzt wieder besser laufen und ihr hierherfliegen konntet".

"Tja, Paps" meinte sein Sohn "dem ist nicht ganz so. Das wird bestimmt in ein, zwei Jahren besser laufen mit den Geschäften, aber im Moment ist es noch nicht so toll. Dass wir heute hier sind, hast du einem unverschämten Glück zu verdanken. Denn Maria hat hinter meinem Rücken ein Lotterielos gekauft und du wirst es nicht glauben, wir haben gewonnen. Nicht viel, aber doch genug, um den Flug hierher mit vier Personen bezahlen zu können. Wenn es dir recht ist, dann bleiben wir bis Neujahr. Unser Rückflug ist am 3.1."

Die Antwort von Rudolf war wieder typisch für ihn "aber nun habe ich gar keine Silvesterraketen im Haus". "Ach, dann kaufen wir eben welche" meinte sein Sohn und dann noch "weißt du, ich Depp habe noch sehr geschimpft mit meiner Frau, weil sie das Los gekauft hat. Und das nur, weil sie nachts von einem kleinen Engel geträumt hat, der ihr sagte, sie solle gleich morgen früh ein Los kaufen. Aber jetzt, wo wir gewonnen haben, könnte man wirklich glauben, dass an Träumen und Engeln etwas Wahres dran ist"

Sein Vater brummelte in den Bart hinein "an Träumen weiß ich nicht, aber an Engeln schon". "Was meinst du, Vater?" Doch Rudolf meinte nur "ach, nichts", aber er drehte sich dabei um, dass die anderen sein Lachen nicht sehen konnten.

Wieder klingelte es an der Tür. Rudolf wollte gerade zur Tür gehen, doch sein Sohn war ihm zuvorgekommen und hatte sie bereits geöffnet.

"Mary, meine kleine Mary" hallte die Stimme des Vaters durch den Raum, als der seine Tochter erblickte. "Mensch, du lebst und du bist hier ... das ich das noch erleben darf, dich mal wieder im Arm zu halten und das an Weihnachten und dann noch die ganze Familie zusammen".

Rudolf konnte seine Tränen nun nicht mehr halten und umarmte und küsste der Reihe nach nochmal seine Kinder, die Enkel und weil er so gut drauf war, bekam Asso auch einen Kuß auf die Schnauze ab.

"Komm rein, Kind" sagte dann Rudi und nahm seiner Tochter die große Reisetasche ab. "Pass auf, Paps, da ist etwas ganz Wertvolles drin" sagte Mary schnell. "Ja, was denn" wurde Rudolf auf einmal neugierig und schaute dann mal genauer hin.

"Das gibt es doch nicht ... das kann doch nicht wahr sein ... ist das ..."

"Ja, das ist !" sagte die Tochter "das ist meine Tochter und dein dritter Enkel. Erst eine Woche alt". Die Tochter wurde nun ernst und fuhr fort "Georg, mein Verlobter, und ich, wir haben uns verkracht. Er ist ein so egoistischer Kerl und hat gemeint, dass Leben ginge mit Kind so weiter wie vorher. Er wurde immer ungenießbarer und wenn die Kleine geschrieen hat, hat er mit uns beiden geschimpft. Ich bin dann einfach abgehauen, es war sowieso schon die ganzen letzten Monate sehr schwierig mit ihm."

Mary legte ein kleine Pause ein und fragte dann "du, Paps, darf ich dich etwas fragen". "Was denn, mein Kind ?" "Darf ich bei Dir einziehen. Du hast doch Platz in deinem Haus und bist dann auch nicht mehr so alleine. Ich versuche, eine Stelle in meinem alten Job zu bekommen, wenn möglich halbtags, und du kannst dann morgens auf die Kleine aufpassen. Genauso, wie du es doch immer gewünscht hast. Du wolltest doch immer mit deinem Enkel auf dem Schoß draußen auf der Bank vor dem Haus sitzen".

Rudolf antwortete nichts, sondern nahm Mary einfach nur ganz fest in den Arm. Er war glücklich wie schon lange nicht mehr. Schöner konnte ein Heiliger Abend nicht sein.

"Du, Mary" fragte er mit ganz sanfter und glücklicher Stimme "darf ich dich auch etwas fragen?" "Ja, frag' nur ..." ... "Hat die Kleine denn schon einen Namen ?"

"Nein, noch nicht" antwortete die Tochter "ich wollte den Namen gemeinsam mit Georg aussuchen, aber das Gespräch darüber hat nie funktioniert. Warum fragst du ?"

"Ich hätte da einen Vorschlag für einen Namen" sagte Rudolf "wie wär's, wenn wir sie Luisa nennen ?"

Mary lächelte und sagte "ein wunderschöner Name, ja, wir nennen sie Luisa".

© Engelbert Schinkel

Liebe Leserinnen und Leser meines Adventskalender, ich danke Euch von ganzem Herzen für Euren zahlreichen Besuch und das viele positive Feedback, das ich erhalten habe. Ich habe mich unendlich darüber gefreut !!

Öffnet Ihr gerne Türchen auch das Jahr über ? Lasst Ihr Euch gern überraschen ? Dann habe ich eine gute Nachricht für Euch ! Denn der Adventskalender geht weiter. Nicht mit Advent als Thema, sondern mit anderen Dingen. Aber Gedanken, Links, Poesie und Bilder wird es auch ab 1. Januar hier geben !

Denn ab 1.1. wird eine neue Rubrik hier auf Seelenfarben aus der Taufe gehoben. Sie nennt sich "Kalenderblatt" und will auch für die anderen Tage des Jahres ein Überraschungstürchen bieten.

Ich würde mich sehr freuen, wenn der eine oder andere dort mal vorbeischauen wird.

Euch Allen ein friedliches Weihnachtsfest, das genauso verläuft, wie Ihr es Euch wünscht !

Es ist schön, dass es Euch gibt !!

Euer Engelbert :))