Vorbemerkung: wer noch auf Mails von mir wartet, der möge sich bitte etwas
gedulden. Ich tue was ich kann und habe einen schön großen Berg, den ich
abarbeite. Antwort kommt auf jeden Fall, aber nicht immer zeitnah.
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Und noch ein kleiner Hinweis in eigener Sache: dem geplanten "Seelenfarben-Treffen" und
Vernissagenbesuch (siehe Kalenderblatt
vom Montag) übermorgen steht zumindest vom Wetter her nichts im Wege :)).
Es soll tauen und 10 Grad warm werden. Zwei Mails habe ich bereits
erhalten von Menschen, die sich die Vernissage und mich betrachten wollen
:)).
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Mein heutiges Thema ist eher nachdenklicher und ernster Natur. Obwohl es
auch Hoffnung in sich birgt. Jacqueline hat in Ihrem Blog eine sehr
autobiographische Geschichte über Hochbegabung geschrieben. Wer von Ihnen
mein Tagebuch liest, der kennt die Geschichte schon. Doch den anderen
möchte ich heute die Gelegenheit geben, diesen Text auch zu lesen.
Jacqueline schreibt:
Die Diagnose
In meiner Kindheit wurde mir vieles vermittelt,
eines davon war :
Nur ein gesunder Körper ist wichtig, was interessiert der Geist.
Es war sehr wichtig, im Sport eine gute Note zu bekommen und jede freie
Minute mit körperlicher Bewegung zu verbringen. Die geistigen Fähigkeiten
waren genau zweimal im Jahr interessant - wenn es Zeugnisse gab und ich in
irgendeinem Fach "nur" eine 5 hatte ( 6 war die beste Note).
Ich war nicht sonderlich sportlich, es hat mir keinen Spass gemacht, auf
Teufel komm raus meinen Körper zu schinden und schon gar nicht unter
Zwang.
Ich gehörte nicht dazu, ich war ein Fremdkörper in dieser Familie, in der
Bücherlesen eine suspekte Sache war.
In der Schule war ich zu gut, um beliebt zu sein. Ich bekam das Etikett
"Streberin", egal, wie wenig ich gelernt habe, es fiel mir in den Schoss.
Die Themen, die mich interessierten, waren für meine Kameradinnen wenig
interessant - und umgekehrt konnte ich mich wenig in die schwerwiegende
Problematik vertiefen, ob der neuste Pulli nun in lachsrosa noch besser
aussehen würde oder ob der Augenaufschlag von Z nicht zuckersüss war...
Ich war irgendwie nie einer dieser kichernden Teenager. Die Jungen der
Schule, die verstand ich, die redeten logisch - aber ich war ein Mädchen
und das disqualifizierte mich automatisch ;-)
Ich gehörte nicht dazu, ich war ein Fremdkörper in meiner Altersstufe.
Daraus hatte ich etwas fürs Leben gelernt :
Sei nicht zu gut, bleib lieber durchschnittlich...
Wer durchschnittlich ist, hat Freunde und gehört dazu.
Ich wurde älter und begegnete vielen Situationen in meinem Leben, wo ich
auch gefahrlos mehr als ein bisschen durchschnittlich sein durfte, ohne
dass deswegen mit dem Finger auf mich gezeigt wurde.
Ich begegnete einem Mann, bei dem ich mich nicht dumm stellen musste. Ich
habe mir ein durchschnittliches Leben aufgebaut und dank vielen
Zwischenfällen immer mal wieder ein bisschen besser sein dürfen.
Doch mit der Zeit wurde ich zunehmend unzufriedener, mir fehlte etwas,
meine Launen nahmen zu, meine depressiven Verstimmungen, meine
Lustlosigkeit.
Warum konnte ich nicht damit zufrieden sein, einfach normal zu sein,
einfach ich zu sein? Ich hatte doch alles!
Das musste doch bestimmt mein Fehler, meine Schuld, mein Mangel sein.
Nun wurde mir heute ein Spiegel vorgehalten und gesagt : Schau genau hin,
schau auf das Gesicht hinter dem Gesicht.
Nein, es wurde nicht so formuliert, aber es hatte genau diese Wirkung :
Ich bin hochbegabt.
Intelligent -ausgegrenzt - unbeliebt - unglücklich - das ist in meinem
Kopf.
Nun werde ich lernen müssen, mich selber nicht mehr zu verleugnen, mir
nicht selber dauernd vorzumachen, dass mich meine Aufgabe als Hausfrau und
Mutter ausfüllt, mir mein Leben neu einrichten mit Rücksicht auf die,
welche ich liebe - und ich weiss genau gar nicht, wo ich anfangen muss.
Ich habe gedacht, dass es reicht, wenn ich emotionell ausgefüllt bin, dass
es viel wichtiger ist, ein guter Mensch zu sein, dass Liebe und nicht
Leistung zählt - und all das werde ich in der kommenden Zeit überprüfen
müssen.
Vielleicht zeigt sich dann, dass ich zusätzlich noch ein
Aufmerksamkeitsproblem habe, vielleicht auch nicht.
Das erste Mal in meinem Leben setze ich mich der Kritik aus, nicht
durchschnittlich zu sein.
Das erste Mal in meinem Leben akzeptiere ich meine Fähigkeiten im
Denk-Bereich als eine Gabe - und in mir steigt die Angst von früher auf,
ausgegrenzt und geächtet, verhöhnt und ausgelacht zu werden.
Hochbegabung ist keine Schande, auch wenn man so behandelt wurde/wird.
Das Schreiben dieses Textes hat mir keine Mühe gemacht -
das Veröffentlichen hingegen schon, aber ich will mich nicht mehr
verstecken...
Danke, Jacqueline, für die Offenheit dieses Textes und auch dafür, dass
ich den Text hier veröffentlichen darf :)).