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18. Mai 2005
 



Eine Leserin hat mir vor einer Woche eine Mail geschrieben.
Deren Inhalt war eigentlich für die "Lichtblick aktuell"-Rubrik gedacht,
aber ich finde die Thematik so wichtig und so interessant,
dass ich sie zu einem Kalenderblatt-Thema mache:



Meine Gedanken dazu sind erst unter der Kommentarfunktion zu finden,
weil ich Eure Kommentare nicht beeinflussen will.

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Resignieren bedeutet, nicht mehr zu handeln.
Nicht mehr zu wollen, nicht mehr zu können oder glauben, nicht mehr zu können.

Wer resigniert, ist in einer Lage, die ihn nicht befriedigt, deren Verbesserung er aber umsetzen kann. Man fügt sich in sein Schicksal. Man findet keinen Weg, etwas zu ändern.

Will man etwas nicht genug ändern ? Ist man nicht weit genug unten ? Kommt nicht irgendwann der Punkt, an dem man kann oder können muss. Ja, den Punkt gibt es, wenn der Körper streikt oder wenn etwas Schlimmes passieren würde ohne eine Änderung.

Aber dieser Punkt kommt nicht immer ... manche Leben sind ja nicht soo entsetzlich. Nur eben unbefriedigend. Irgendwie geht's ja schon weiter, nicht gerade besonders gut, aber noch gerade so, dass man überlebt. Falls man das Leben nennen will und nicht nur irgendwie irgendwo mitmachen.

Nicht mehr zu wollen ... "nicht mehr" bedeutet, dass man schon mal gewollt hat. Dabei auf die Schnauze gefallen ist oder die Änderung war ein Schuss nach hinten. Vielleicht auch wirkungslos. Wann will ich denn nicht mehr ? Wenn der vermeintlich bevorstehende Kampf mir zuviel Kraft verlangt. Oder Geld, das ich nicht habe.

Wenn, ganz einfach, auf der Minus-Seite meiner Aufstellung mehr Mühe und Angst steht als auf der Plus-Seite an (Lebens)Gewinn zu erwarten ist.

Dabei wissen wir oft gar nicht, wie schön das Plus sein kann. Oder wir überschätzen das Positive in unserer Erwartung. Wir wissen aber auch nicht, ob die Brücke, über die wir gehen müssen, wirklich so beschwerlich zu überqueren ist, wie wir annehmen.

Wir machen uns einen Plan und entscheiden dann über Durchführung oder nicht. Die Umsetzung des Planes liegt aber in der Zukunft und vieles kann passieren, dass anders ist als geplant.

Solange wir über diese Frage nachdenken, haben wir noch nicht resigniert. Wer wirklich resigniert hat, der fügt sich in sein Schicksal oder dämpft es mit Alkohol etc..

Man kann immer etwas ändern. Man kann aber nicht so einfach eine neue Welt erbauen. Man kann sich rantasten und sich informieren. Man kann Gespräche mit anderen Betroffenen führen, man kann über einen längeren Weg eine Kurskorrektur erreichen. "Ich will hier raus" muss nicht sofort und nicht endgültig sein. Es kann später passieren und ab und zu.

Der wichtigste Hemmschuh dürfte die Abhängigkeit sein. Die manchmal mehr psychischer Natur ist und eine "vermeintliche" Abhängigkeit, aus der Angst heraus, ein eigenbestimmtes Leben zu führen. Hier rate ich zu vielen Gesprächen, auch im Rahmen einer Therapie.

Weit schwerer ist die finanzielle Abhängigkeit. Die kann man nicht mit Gesprächen aus der Welt schaffen. Aber auch da gilt: alle Informationen auf den Tisch legen und sich beraten lassen.

Denn ein resigniertes Leben ist gar keines. Man vegetiert ohne selbst zu leben.

Muss man überhaupt resignieren, wenn man bestimmte Dinge nicht erreichen kann ? Schwere Frage. Und nur im Einzelfall zu beantworten. Es gibt Ziele, die "kann" man kaum erreichen, auch wenn man generell mehr erreichen kann, als man glaubt, wenn man nur will und daran glaubt. Doch es gibt auch utopische Ziele, die nicht umsetzbar sind. Wieviel Egoismus und Egozentrik stecken hinter solchen Ideen ? Ist es gesunder Egoismus, einfach das Finden und Ausleben der eigenen Persönlichkeit, dann sollten alle Mittel und Wege gefunden werden, das zu erreichen.

Zuerst Bestandsaufnahme machen. Sein eigenes Ziel auf seinen Sinn und seine Durchführbarkeit überprüfen. Wenn das Ziel sehr wohl seine Berechtigung hat, dann mal aufschreiben, was denn alles hindert, das Ziel zu erreichen. Und über jede einzelne Behinderung nachdenken, wie diese gemindert oder aufgehoben werden kann. Auch mal mit anderen Menschen darüber reden, gerade aus solchen Gesprächen kann man viele Impulse, wie man Knoten durchschneiden kann, erhalten.

Einen Hemmschuh habe ich vergessen, die Kraft. Ist die "psychisch" am Ende, muss erst irgendwie aufgetankt (vielleicht durch eine Kur oder einen Urlaub) und dann nochmal von vorne angefangen werden. Ist die Kraft einfach "physisch" am Ende, dann gilt auch, dass man auftanken sollte. Es gibt nicht immer Möglichkeiten, sich irgendwo Kraft herzuholen, aber es ist auch nicht immer so aussichtslos, wie man denkt.

Gerade ein Ziel, gerade der Glauben, ein Ziel erreichen zu können, fördert oft eine Kraft, die Berge versetzen kann.

Natürlich ist auch Resignation erlebt. Des Menschen Wille ist sein Himmelsreich. Und wer sich gut dabei fühlt, wenn er lieber in den nicht optimalen, aber gut eingelaufenen Bahnen des Lebens fährt, dann ist das auch in Ordnung. Allerdings ist es schade, wenn die Sehnsucht stirbt. Wenn die Träume endgültig davonfliegen.

Resignation ist nicht wirklich erstrebenswert. Der Weg heraus kann auch der Weg der kleinen Schritte sein.

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