Er wusste, er musste loslassen.
Auch seine geliebte Tochter.
Sie war 16 und in zwei Jahren konnte sie sowieso machen, was sie will.
Sie zu klammern war das Falscheste, was er machen konnte.
Auch wenn alles in ihm seine "gute Fee", wie er sie immer nannte, halten
will.
Ja, ich weiß ... das hängt auch mit dem Tod meiner Frau zusammen ...
sagte Hans sich oft, wenn er glaubte, ohne seine Tochter nicht leben zu
können. Fünf Jahre war es her, als seine Frau Magda beim Klettern im
Allgäu verunglückte.
Hans schüttelt mal wieder den Kopf ... weil er dran denkt, dass er eine
passionierte Kletterin geliebt hat. Er, der so unsportlich war ... aber
wo die Liebe eben hinfällt ... und es hat ja auch viele Gemeinsamkeiten
gegeben. Die Liebe zur Natur zum Beispiel ... während Magda kletterte,
ging er eben wandern.
Vorbei ... Hans öffnete die Augen ... und blickte auf den Parkplatz.
Und auf das Schild "Klettercamp Ludwigsfelsen".
Verdammt noch mal ...
... musste denn seine Tochter die Kletterleidenschaft seiner Frau erben
?
... musste sie unbedingt so unglücklich sein, als er ihr den
Kletterurlaub verboten hatte ?
... musste Ines auch noch "seinen" Dickkopf erben und wissen, wie man
sich durchsetzen kann ?
Und so saß er mit Tränen in den Augen in seinem Auto. Obwohl er doch vor
wenigen Minuten noch seine lachende, überglückliche Tochter gesehen
hatte. Auch wenn Hans es nicht verstand, so freute es ihn auch, als er
sah, wie sehr sich Ines über diese dann doch noch erlaubte
Wochenend-Klettertour freute.
"Ruf sofort an, wenn etwas ist ... SOFORT !! ... Hast du gehört ?? Und
sage den anderen in deiner Klettergruppe, dass die sofort mich anrufen
sollen, wenn dir etwas passiert sein sollte ... versprichst du mir das
??" ... "ja, ich schick dir 'ne SMS ..." hatte Ines lächelnd gesagt. In
ihrem Gesicht der "was soll schon passieren"-Blick.
Seufzend hatte Hans daraufhin seine Tochter in den Arm genommen ... und
gleichzeitig nach oben die Bitte geschickt, dass da irgendein
Schutzengel auf sie aufpassen soll.
Jetzt sind sie schon unterwegs zum ersten Felsen ... sagte Hans zu sich,
als er da im Auto auf dem Parkplatz saß ... ihm fröstelte.
Hans fuhr los.
3 lange Autostunden lagen vor ihm.
Fast nur Autobahn ... aber Hans war irgendwie müde ... und der
Autobahnmonotonie überdrüssig ... also beschloss er, den Rest des Weges
über Landstraßen zu fahren.
Eine schöne Gegend ... so kurz vor seiner Heimat.
Wälder, Hügel ... nur leider keine Felsen, wie Ines immer bemerkte.
Es war Freitag Nachmittag, der Verkehr ziemlich dicht.
Immer wieder LKWs, die eine größe Anzahl PKWs hinter sich herzogen, denn
überholen war hier kaum möglich.
Auf einmal bimmelte das Handy ... eine SMS.
Das Handy, das auf dem Beifahrersitz lag.
Damit er ganz schnell abnehmen konnte, wenn ein Anruf kam.
MEIN GOTT ... sie ist tot ... wie ihre Mutter ... schoss es Hans durch
den Kopf ... sein Herz klopfte bis zum Hals und er sah die Bilder, wie
Magda damals auf der Trage lag, wieder vor sich. Hans bekam kaum noch
Luft.
"Nein, das darf nicht sein" schrie er ... griff nach dem Handy ... fand
es nicht.
Durch die Kurvenfahrt war es ganz an den Sitzrand gerutscht.
Anhalten konnte er nicht in diesem Waldstück ... also beugte sich Hans
während der Fahrt rüber in Richtung Beifahrertür. In seinem Kopf
brannten sich alte Bilder wieder neu in seine Gedanken und gleichzeitig
sah er seine Tochter irgendwo auf den Steinen liegen.
Hans bekam das Handy mit spitzen Fingern zu fassen ... innerlich nahezu
aufgelöst las er die SMS, die er gerade erhalten hat:
Hans fasst es kaum ... was er da sieht.
Werbung.
Nur Werbung.
Ein lautes Hupen schreckt Hans aus seinen Gedanken.
Für den Bruchteil einer Sekunde sieht er das Führerhaus eines LKWs vor
sich ... und bevor er reagieren kann, gibt es einen fürchterlich lauten Knall.
Danach Stille.
Stille für immer.
Denn Hans hatte soeben die letzte SMS seines Lebens gelesen.
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