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25. November 2007

Der Tod auf dem Friedhof ?
Nein, im Gegenteil ...

... der Friedhof "lebt".



Bäume ... Sträucher ... Efeu.
Vögel ... Käfer ... Eichhörnchen.
Die Oma auf der Bank.

Der Friedhof lebt.

Der Friedhof er-lebt.

Ein Friedhof erlebt so viele kleine Geschichten und bei einer durfte ich dabei sein.
Vor drei Wochen ... weil die Landauer Weinberge wegen Laubfall fotografisch unergiebig waren, fuhr ich zum alten Friedhof nach Pirmasens.







Ich war schon einige Minuten und dort ... die Bilder oben hatte ich bereits "im Kasten" ... auch wenn ich an diesen Grabsteinen ...



... erst mal vorbei gelaufen war. Nicht immer findet das Auge ein Motiv, das vom Gehirn akzeptiert wird. Manchmal steht die Sonne falsch, oder der Fotograf ist müde, hat etwas anderes im Sinn, läuft schon länger rum ... oder läuft erst mal vorbei, um später wieder zurück zu kommen und doch zu fotografieren.

Denn des Fotografen Wege sind reichlich und wiederholen sich bisweilen.

Manchmal bleibt der Fotograf auch einfach stehen, weil ein Fotomotiv an ihm vorbei läuft und sich in Position begibt:



"Junges Leben auf einem alten Friedhof" ... so in etwa hatte mein geistiges Auge bereits den Bildtitel festgelegt ... während das Foto noch gar nicht gemacht war. Aber die drei Jungen waren des Weges gekommen und ich wusste, welches Bild ich fotografieren wollte. Ein Bild, auf dem die Drei den Weg entlang laufen ... doch sie blieben erst mal stehen:



Kann sogar sein, dass sie deswegen stehen blieben, weil sie kurz vorher mich da stehen sahen und sich fragten, was denn da wohl Interessantes ist.

Kurze Zeit später gingen sie weiter (so lange hält man sich als so junger Mensch nun auch nicht am Zahn der Zeit auf) ...



... bis ausgerechnet der Kleinste auf einmal in der Begrenzungshecke verschwand und mit einem Werbeschild wieder zum Vorschein kam:



Was macht ein kleiner Junge mit einem Werbeschild ?

Er hebt es hoch ... gewinnt an Geschwindigkeit ...



... wird zum Demonstranten, erhebt seine Stimme und ruft während des Laufens "nieder mit den alten Grabsteinen".

Hey, das war klasse ... das war originell. Von der Idee her zwar Blödsinn, aber in dem Alter habe ich mir auch noch keine Gedanken über alte Grabsteine gemacht. Doch die Spontanität, aus einem Werbeschild auf einem alten Friedhof eine ironische Demonstrationseinlage zu machen ... Respekt.

Eine Sekunde Respekt.
Vielleicht auch zwei.

Denn ein solches Schild trägt sich nicht so leicht, eine solche Idee bleibt nicht ewig interessant und so war auf einmal ...



... kein Schild mehr zu sehen.

Wo ist es hin ?
Geflüchtet ?
Gegendemonstration ?

Nee ... es wurde einfach fallen gelassen ...



... und man lief gerade drüber.

Sorry, Ihr jungen Menschen ... und vor allem Dir da rechts ... das hat Dich sehr schnell einiges an Sympathie gekostet ... und ich ... okay okay, ich gebs zu ... ich wurde auf einmal

spontan
ärgerlich
wenig mutig

Ich rief aus voller Kehle "hey" ... richtig laut ... und dann noch "so geht das awwer ned !!" ... ein spontaner Satz mit ärgerlicher Lautstärke vom fotografierenden Oberlehrer der Friedhofsmoral. Ich gebe zu, dass ich mir das auch nur bei denen da getraut habe ... weil ich schon irgendwie einschätzen konnte, dass die nicht zum Gegenangriff übergehen.

Wären die böser und größer gewesen, dann hätte ichs Maul gehalten, bevor ich noch das besagte Schild auf Gleichnamiges gekriegt hätte. Ist schon schlimm ... dass auch die Moral irgendwann Angst kriegt.

Hier war sie mal mutig, hier konnte sie sich das erlauben.

Mit Erfolg !!

Alle und auch der ehemalige Schildträger erschraken und zu meiner Freude nahm der Kleine das Schild wieder in die Hand. Vom Gelächter der anderen Zwei begleitet.

Ich hatte nun fest damit gerechnet, dass das Schild wieder zurück getragen wird ... dort hin, wo es vorher gestanden hatte ... doch ich hatte die Gedankenrechnung ohne die Jungs gemacht ... der Kerl trug und trug und trug das Schild ... und ich weiß bis heute nicht, wohin.



Denn irgendwann waren sie aus meinem Blickfeld verschwunden ... und das Schild auch. Nirgends war es zu finden, obwohl es garantiert nicht bis nach Hause getragen wurde. Ich vermute mal, dass es dann doch irgendwo eine unsanft darniedergelegte Ruhestätte fand. Vorübergehend, bevor ein dienstbarer, lebendiger Geist sich der ehemaligen Werbung bemächtigt und sie entsorgt.

Ich beruhigte mich dann auch wieder ... ja fast freute ich mich über das Geschehen ... denn das Drehbuch für genau dieses Kalenderblatt wurde in diesen Augenblicken auf dem Friedhof geschrieben. Das Grundgerüst stand ... das Drumherum ist nun entstanden.

Kurze Unruhe an diesem ruhigen Ort.



Neues Leben zwischen alten Erinnerungen.





Eine junge Geschichte von einem alten Friedhof.



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