Home

29. Januar 2008

Inspektor Hartmut von Verdacht lief die Straße entlang. Einfach so, ohne Blut im Hinterkopf, ohne eine Spur zu verfolgen. Denn sooo viele Gangster gab es in Waldhausen auch nicht. Ab und zu ein Ladendiebstahl, der Mord an Doktor Paul, der dann doch ein Selbstmord war und der chronische Verfolgungswahn von Else Schnatterli.

Und kaum nennt man den Namen, kommt sie auch um die Ecke. Else Schnatterli, die Miss Marple von Waldhausen. Hinter jedem Busch wähnt sie ein großes Verbrechen und wenn ein Auspuff eine Fehlzündung hat, ist sie die Erste, die den Inspektor anruft und "Selbstmordkommando vor der Apotheke" schreit.

Doch heute war alles ruhig ... nur der leichte Januarwind wehte Wintergedanken durch die Gassen.

Hartmut lief rechts und Else links. Dazwischen die Straße. Es könnte wirklich ein Aneinandervorbeigehen werden, ganz ohne Schrei vom Verbrechen oder Jagd nach den bösen Buben. Es könnten einfach nur Schritte sein. Else in Richtung Cafe und Hartmut in Richtung Bücherei.

Wenn da nicht ... genau in dem Moment, als die Beiden sich grüßten, pardon: grüßen wollten, ein Knall die Luft zerteilte. Oben aus dem zweiten Stock über der Reinigung war er gekommen.

"Ich wusste es, ein Mord ... bestimmt die Mafia, der die saubere Hilde kein Schutzgeld bezahlen wollte" rief Else über die Straße ... "ach quatsch" antwortete Hartmut, um Zeit zu gewinnen. Er überlegte ... schaute nach oben ... auf die Straße ... in sich hinein ... und wurde von Else eindringlich unterbrochen "Nun schauen sie doch nach und stehen sie keine Salzsäule in den Boden".

Genau in diesem Moment schlug mit splitterndem Lärm zwei Meter vom Inspektor entfernt eine Sektflasche auf den Boden.

"Sagte ich doch, Mafia ... das ist bestimmt italienischer Sekt" wetterte Else und fuchtelt mit ihrem Spazierstock Kreise in die Luft. "Nein, das ist eine Schiffstaufe" brummelte der Inspektor zurück ... und schaute nach oben. Eine blonde Schönheit schaute zum Fenster raus, das lange Haar als wirres Gemälde auf ihrem Kopf tragend. "Scheisse" rief sie wenig weiblich und verschwand wieder.

In diesem Moment gab es einen weiteren lauten Knall ... doch diesmal aus dem Eingang der Bäckerei, vor der Else stand. Mit einem spitzen Schrei, der übersetzt "Massenmord" heißt, dreht sich Else um ... Angst kennt sie ja überhaupt nicht. Begleitet von einem etwas zu bösartigen Lachen des Professors erblickt sie das Gesicht des kleinen Uwe, der breitest grinsend eine kaputte Brötchentüte in der Hand hielt. Die eben noch ganz war und mit Luft gefüllt, was aber durch Draufschlagen schnell geändert wurde. Jaja, es war im ganzen Dorf bekannt, wie sehr alles, was knallt, Else zur Hochform auflaufen ließ. Der zweite Knall war also im wahrsten Sinne des Wortes eine Luftnummer.

Was aber war mit dem ersten Knall ? War es ein Sektkorken ? Wenn ja, warum wurde dann die Flasche Sekt danach auf die Straße geworfen ? Soll Hartmut ins Haus reingehen oder nicht ?

"Also wenn sie noch lange warten, dann brauchen sie nicht mehr ins Haus zu gehen, dann ist der Mafiaboß schon längst durch den Hinterausgang geflüchtet" meinte Else, die sich schnell vom Schrecken erholt hatte. Und Hartmut ging wirklich ins Haus ... nicht, weil er auf Else hörte, sondern weil er ein paar Minuten mal nichts von ihr hören wollte.

War Hartmut einem Verbrechen auf der Spur ?
Oder wartete er nur ab, um irgendwann wieder in seine Bücherei zu gehen ?
Blöd war nur, dass Else, so gerne sie auch Kuchen liebt, verdammt lange darauf verzichten kann, wenn es um ein Verbrechen geht und mindestens eine halbe Stunde da stehen bleibt und auf den Professor oder weitere Morde wartet.



zurück zur Kalenderblatt-Hauptseite

Kalenderblatt-Archiv