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29. März 2008

Ich bin der ... ach, nennt mich einfach Karl.

Karl, der Coole hat man mich auch genannt. Geboren wurde ich in den 50er Jahren ... und glaubt mir, ich habe so viel erlebt, dass ich das gar nicht alles erzählen kann. Ich weiß auch nicht mehr alles, man wird alt.

Was ich weiß, ist, dass ich meine Biographie schreiben sollte, bevor es zu spät dafür ist.

Und so liege ich hier und meine Gedanken reisen in meine Jugendzeit.

Damals ... als ich noch jung war ... so viele nette Menschen und so viele tastende Hände. Weiche, warme Frauenhände, die mich zärtlich streichelten, als wäre ihnen durch mich gerade die heiße Liebe begegnet.

Diese Liebe erkaltete dann etwas ... im wahrsten Sinne des Wortes. Aber alleine war ich nie. Ja, manchmal wurde ich sogar auf eine Party eingeladen. Da war was los, das waren heiße Nächte, bei aller Coolness, die man mir nachsagte. Aber wenn man seine Tür offenstehen lässt, dann wird aus dem kühlsten Karl ein heißer junger Liebhaber.

Ja, doch ... man hat mich sehr geliebt. Einfach so ... weil es mich gab.

Nur als der Konrad mit der Anneliese nach dem Genuß einer Flasche Sekt sich an mich lehnten und dabei so stöhnten ... das hatte mich dann doch befremdet. "Geht vorbei ... geht bald vorbei" sagte ich mir und schon lagen die die Beiden vor mir auf dem Boden, lallten noch ein paar unverständliche Worte und weg waren sie. Geistig weg, körperlich noch da. Ach, ich hab einfach so getan, als wüsste ich von nix.

Was ich am Besten konnte, war, die Menschen befriedigen. Sie kamen immer zu mir und ich sah ihnen an, dass ihnen zu ihrem Glück etwas fehlt. Das gab ich ihnen dann gerne. Wer vorher reich beschenkt wird, der gibt auch später gerne wieder ab. Der Lohn sind dann die "aaahs" und "ooohs" und "hach" und so manches eher stille Brummeln.

Der kleinen Petra gab ich ebenso, was sie wollte, wie ihrer Oma Erna. Und an den Opa Alfons erinnere ich mich auch sehr gut. Ein Mensch, der immer so tat, als wäre er schlecht gelaunt, aber in Wirklichkeit nur seine Ruhe wollte. Kein Wunder, eine Frau und drei Töchter hatte er ... deswegen kam er ab und zu nachts zu mir und klagte mir sein Leid.

Er schaute mich dann immer an, als wüßte er genau, dass ich ihn verstehe. Und dann erzählte er mir. Von seiner Frau, den Töchtern, vom Krieg, von drüben und vom lieben Gott. Während dieser Gespräche leerte er dann so einige Gläser vom selbstgebrannten Schnaps.

Hmm ... die ganzen Geschichten schleichen sich nun an die Oberfläche meiner Gedanken. Vielleicht sollte ich wirklich ein Buch schreiben. Wie sollte ich es nennen ? "Karl, der Coole" ... oder, als Zeichen für die Verwendung der deutschen Worte "Karl, der Kühle". Nee, das wird mir nicht gerecht, denn ich mag zwar auf viele Menschen kühl und hart wirken, doch meine Seele ist warm und weich.

Wer aber kennt meine Seele ? Ich erzähle ja niemanden etwas davon ... ich bin doch immer für andere da. Das ist einfach ein Naturgesetz.

So wie Ostern und Weihnachten. Das waren immer Zeiten, an denen man mich besonders gerne hatte und mich viel und gern berührte. Silvester erst recht. Das waren Sternstunden für mich.

Weniger der Stromausfall damals bei diesem schweren Sommergewitter. Da war ich gar nicht mehr so cool, da wurde mir anders, da bekam ich richtig Angst, dass ich nie mehr der Alte sein würde.

Doch ... ich hatte unnötige Angst. Ich war schnell wieder so, wie mich alle kannten.

Und heute ? Da bin ich wirklich der Alte. Menschen ... ja, die sehe ich öfter. Drüben auf der Straße laufen sie vorbei ... und neulich ... hey ... soviel Interesse an mir hatte ich vor Jahren zum letzten Mal ... ja, wirklich ... vor ein paar Tagen hat mich jemand sogar fotografiert.