heute:
Karoline
Grimms Märchen
Karoline erzählt:
Heiliger Abend 1950 es hat geschneit, mindestens ein halber Meter
Schnee, es wird langsam dunkel, wir schleichen draußen um das Haus und
versuchen irgendeine Lücke in den verhängten Fenster zu ergattern ...
nichts zu machen.
Wir spielen Mensch ärgere dich nicht, Halma und Dame. Die Zeit zieht
sich ewig hin. Unsere älteste Schwester fehlt, Mutter sagt sie sei ins
Dorf, letzte Besorgungen zu machen. Im Radio erklingen schon die
Weihnachtslieder. Um 17h ruft die Mutter zum Essen, es gibt
Kartoffelsalat mit Würstchen.
Dann wird gebetet, zu Weihnachten wird der freudenreiche Rosenkranz
gebetet. Für uns Kinder ein Graus, eine Stunde beten, still sitzen und
keine Faxen machen.
Wir hören immer wieder komische Geräusche und starren auf die
Wohnzimmertür, wir wissen das Christkind ist da drinnen und schmückt den
Christbaum, den Vater im Wald geschlagen hat. Die Spannung steigt, ich
habe mir Grimms Märchen gewünscht, wird es dabei sein?
Unsere älteste Schwester erscheint wieder, voll Schnee. Da! Das
Glöckchen erklingt und die Tür ward aufgetan, da stand er der
Christbaum, herrlich anzusehen, voll Kerzenschein und Engelshaar, buntes
Backwerk und Zuckerln in farbiges Papier gewickelt. Wir singen "stille
Nacht heilige Nacht", mein Blick wandert zu den Geschenken ... ja da
liegt es, mein Buch ... mein Herz schlägt laut, mein Blick leuchtet.
Noch "leise rieselt der Schnee", dann ist Bescherung. Jeder erhält sein
Geschenk, das Buch ist noch da, nun wird es genommen und ...
... oh Schreck ...
... nicht ich bekomme das Buch, sondern meine Nichte.
Man kann die Enttäuschung nicht beschreiben, die ein Kinderherz in
diesen Moment fühlt.
Dann wird Tee und Punsch und Kekse, Mohnstrudel oder Nuss-Strudel
serviert. Um 23h machen wir uns auf, wir haben eine halbe Stunde zu
laufen bis zur Kirche, der Schnee knirscht unter unseren Füßen.
Die Christmette wird sehr feierlich gestaltet. Die Krippe beeindruckt
mich sehr, mit den Hirten und Schafen, Maria und Josef und die heiligen
drei Könige mit dem Stern. Der Duft von Weihrauch und Myrre, dazu die
schöne Orgelmusik, ich fühlte mich irgendwie enthoben.
Der Nachhauseweg war noch ein Abenteuer, der Schnee lag rechts und links
bis zu einem Meter aufgehäuft, Schneeballschlacht und sich in den Schnee
legen und mit ausgebreiteten Armen und Beinen Abdrücke machen ...
Irgendwie weine ich immer noch Grimms Märchen von damals nach.
weiter |