Home

17. Dezember 2008







heute:

Ilissa ... sie erzählt:

Ich möchte von meinem allerschönsten, allerinnigsten Weihnachtsabend erzählen.
Es war 1945 und ich war 10 Jahre alt.

Wien war eine Trümmerstadt, es gab weder etwas zu essen, noch Heizmaterial, um eine Stube zu erwärmen. Von Geschenken wagte ich nicht einmal zu träumen. Und doch hat es meine Mutter geschafft, mir ein unvergessliches Fest zu bereiten. Mein damals 16jähriger Bruder, der ein paar Tage vor dem Fest von den Amerikanern aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden war, schaffte es, einen kleinen Tannenbaum aufzutreiben, den wir mit in weißes Papier gewickelten Steinchen schmückten.

Er brachte auch drei Kerzen nach Hause ... wo er die her hatte, hinterfragte meine Mutter vorsichtshalber gar nicht. Auf legalem Weg bekam man solche Kostbarkeiten damals nicht! Als Festtagsessen gab es eine "Torte" aus getrockneten Erbsen und dann ...

... erstrahlte unser Christbaum mit seinen drei Kerzen schöner und heller, als man sich das heute vorstellen kann. Und darunter lagen für mich sogar Geschenke!

Ich habe sie niemals vergessen und sehe sie noch wie heute vor mir: meine Mutter hatte in den Ruinen in einem demolierten Bijouterieladen einige bunte Perlen ausgegraben, und in einer kleinen Schachtel für mich unter den Christbaum gelegt zu den Fäustlingen, die sie aus der Wolle eines alten Pullovers gestrickt hatte. Mein Bruder hatte in einem Schulheft eine Zwergengeschichte für mich geschrieben und Zeichnungen dazu gemacht ... eine Art "Schlumpferzählung".

Meine Freude über diese drei Überraschungen war groß, aber noch viel größer war das Gefühl der Liebe, Zusammengehörigkeit und Hoffnung. Vor allem aber der Geborgenheit, die mir in den letzten Kriegsjahren so sehr gefehlt hatte. Im Bombenhagel hatte es keine Geborgenheit geben können.

Niemals später war Weihnachten für mich so innig wie damals, in der allergrößten Notzeit. Meinen Vater gab es zwar nicht mehr, aber wir hatten immer noch unsere kleine Familie und wir hatten einander unendlich lieb!

Damals, als Kind, da habe ich begriffen, welchen Sinn Weihnachten eigentlich hat.

  
 



zurück zur Kalenderblatt-Hauptseite

Kalenderblatt-Archiv