heute:
Ilissa ... sie erzählt:
Ich möchte von meinem allerschönsten, allerinnigsten Weihnachtsabend
erzählen.
Es war 1945 und ich war 10 Jahre alt.
Wien war eine Trümmerstadt, es gab weder etwas zu essen, noch
Heizmaterial, um eine Stube zu erwärmen. Von Geschenken wagte ich nicht
einmal zu träumen. Und doch hat es meine Mutter geschafft, mir ein
unvergessliches Fest zu bereiten. Mein damals 16jähriger Bruder, der ein
paar Tage vor dem Fest von den Amerikanern aus der Kriegsgefangenschaft
entlassen worden war, schaffte es, einen kleinen Tannenbaum
aufzutreiben, den wir mit in weißes Papier gewickelten Steinchen
schmückten.
Er brachte auch drei Kerzen nach Hause ... wo er die her hatte,
hinterfragte meine Mutter vorsichtshalber gar nicht. Auf legalem Weg
bekam man solche Kostbarkeiten damals nicht! Als Festtagsessen gab es
eine "Torte" aus getrockneten Erbsen und dann ...
... erstrahlte unser Christbaum mit seinen drei Kerzen schöner und
heller, als man sich das heute vorstellen kann. Und darunter lagen für
mich sogar Geschenke!
Ich habe sie niemals vergessen und sehe sie noch wie heute vor mir:
meine Mutter hatte in den Ruinen in einem demolierten Bijouterieladen
einige bunte Perlen ausgegraben, und in einer kleinen Schachtel für mich
unter den Christbaum gelegt zu den Fäustlingen, die sie aus der Wolle
eines alten Pullovers gestrickt hatte. Mein Bruder hatte in einem
Schulheft eine Zwergengeschichte für mich geschrieben und Zeichnungen
dazu gemacht ... eine Art "Schlumpferzählung".
Meine Freude über diese drei Überraschungen war groß, aber noch viel
größer war das Gefühl der Liebe, Zusammengehörigkeit und Hoffnung. Vor
allem aber der Geborgenheit, die mir in den letzten Kriegsjahren so sehr
gefehlt hatte. Im Bombenhagel hatte es keine Geborgenheit geben können.
Niemals später war Weihnachten für mich so innig wie damals, in der
allergrößten Notzeit. Meinen Vater gab es zwar nicht mehr, aber wir
hatten immer noch unsere kleine Familie und wir hatten einander
unendlich lieb!
Damals, als Kind, da habe ich begriffen, welchen Sinn Weihnachten
eigentlich hat.
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