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MHD
Von allen Abkürzungen ist es wohl diese, nach der ich ständig suche,
wenn ich das gekaufte Glas Salzgurken ins Licht drehe
oder mit der Notiz "Haltbar bis: Siehe Deckelboden" abgespeist werde.
Die Erfinder dieser Posse werden sich genaue Vorstellungen darüber
gemacht haben,
ob ich das Datum noch vor Ablauf des Glases gefunden habe.
Damit mir das nicht wieder passiert, schreibe ich mit einem Permanent
Marker jetzt jedes Mal
das MHD fett auf den Deckel oder die Tüte.
Eigentlich auf alles.
"Schau doch mal nach, ob wir noch Kondensmilch haben!"
Diese aus der Küche an mich gerichtete Bitte lässt mich zur Dunkelkammer
streben.
Einen winzig kleinen Raum zwischen Bad und Küche.
Er heißt so, weil das einst kräftige Deckenlicht von gestapelter
Lagerware verdunkelt wird.
Ich schalte also mehrfach das Licht an und aus damit ich feststellen
kann,
ob es an oder aus ist, und beginne damit die Wärmflasche wieder an den
Haken zu hängen,
wo die zwei anderen Wärmflaschen hängen.
Gekauft wohl in den Eiswintern 2015/16 und 17, obwohl wir schon eine
hatten.
Um an die Kondensmilch zu kommen frage ich mein Langzeitgedächtnis, doch
es antwortet nicht.
Auf Brettern, die der Vormieter angebracht hat, zeigt sich die gute
Vorratshaltung
einer modernen Familie, die auch an schlechte Zeiten denkt, und Inventur
macht,
indem sie nach dem MHD schaut und aussortiert.
Das sind die Tage, die gefürchtet sind, die Tage an denen es regnen muss
und ordentlich Wind geht, an denen weder etwas im Fernsehen läuft noch
sonst etwas ansteht.
Das muss schon perfekt passen.
Meist kommt etwas dazwischen, das mich aufatmen lässt.
Das Licht bleibt besser aus.
Vorbei an dem stets nassen Scheuerlappen arbeitet sich mein Suchtrupp
aus Händen und Augen in Richtung hinten links vor.
Eine Zone seltener Besuche und so genannter cold cases, wie der Kriminal
zu sagen pflegt.
Die inzwischen herunter gefallenen Dinge vom obersten Regal werden
selbstverständlich
wieder an Ort und Stelle gebracht, sonst findet sie ja keiner wieder!
Toilettenrollen vom letzten Lockdown ohne MHD zum Beispiel, oder
Küchenrollen vom selbigen.
Mittlerweile habe ich zwar noch keine Kondensmilch gefunden,
dafür aber drei Packungen Nudeln aus den späten 90ern,
eine raumfüllende Plastikabdeckung für Geburtstagstorten, die den
hinteren Bereich ausfüllt,
und dreimal Salzgurken mit MHD, das bis ins nächste Jahrhundert reicht.
"Was ist denn nun mit der Kondensmilch???"
Die erhöhte Dringlichkeitsstufe ist erreicht, ich gebe auf.
Bevor ich zu Penny fahre, sollte ich vielleicht noch einräumen,
oder besser auf schlechtes Wetter warten wie Regen und Wind,
und nichts im Fernsehen, sonst wird das mit dem Rezept in der Küche
nichts.
[ Burkhard Jysch ]
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