Der Abreißkalender Juni/Juli zeigt alte Schätzchen der Seelenfärbler.

heute: Gerlinde

Sie sagt zum Bild:

"... Das ist der Teddy meines Mannes - den gab es damals zum 1. Weihnachtsfest – und meine 3M-Puppe,
die ich mit 12 Jahren bekommen habe. Also sind die beiden jetzt 62 1/2 und 50 Jahre alt.

Der Teddy ist von der Mutter meines Mannes immer wieder mal neu eingekleidet worden,
nun hat er aber schon viele Jahre nichts Neues mehr bekommen;
die Mutter starb, als mein Mann sechzehn Jahre alt war.

An meiner Puppe habe ich sehr gern ausprobiert, was ich schon nähen oder stricken kann,
nicht gerade toll, aber eben selbst gemacht.
Mit 18/19 Jahren wurde das dann deutlich besser, aber da habe ich nur noch heimlich gestrickt
und niemandem erzählt, dass es mir Freude macht, mein Puppenkind einzukleiden.

Als 20jährige junge Frau habe ich begonnen, für unser erstes Kind
zu häkeln und zu stricken ... dann auch fürs zweite ... und für das dritte ... stets saß
meine Eva-Maria irgendwo in der Nähe – noch durfte keines der Mädels sie zum Spielen benutzen.

Aber irgendwann gab ich dem "Betteln" nach und die Puppe "frei".
Sie wurde von den Kindern heiß geliebt!
Später – unser viertes Kind kündigte sich an – bekam jedes der drei Mädchen
zum Geburtstag ein ca. 50 cm großes Puppenbaby – und zum Nikolaus gab es einen Baby-Bruder.

Da war meine Eva-Maria erst mal abgemeldet.
Sie durfte wieder in der Ecke sitzen und manchmal musste sie auch
im Schrank verschwinden – es war eng geworden in der Wohnung.

Irgendwann war unser Baby größer und wollte auch eine Puppe haben – was lag näher,
als ihm meine Puppe in die Hand zu geben – er ging zwar meistens sorgsam mit ihr um,
aber der Zahn der Zeit nagte immer deutlicher – vor allem an den Fingern der Puppe.
Ja, was soll ich sagen – auch unsre Jüngste (das 5. Kind) wurde eine liebe Puppenmutti
und hat meine Eva-Maria weiter "zerliebt".
Nein, sie ist kein Schmuckstück mehr – aber sie hat mir und unseren fünf Kindern
und den Enkeln viel Freude gemacht, und darum darf sie weiter bei uns wohnen bleiben,
gemeinsam mit dem betagten Teddybär – den gab es nie in die Hände der Kinder.

Aber wenn sie ganz brav waren, haben wir den Teddy brummen lassen!
Ich denke, wenn ich im nächsten Jahr als Rentnerin mehr (?) Zeit haben werde,
gibt es für die beiden mal wieder neue Garderobe und ein angenähtes Ohr
und vielleicht finden wir auch noch einen Augen-Knopf.

Vielleicht sollte ich noch erzählen, dass der Wandbehang, vor dem die beiden stehen,



gewissermaßen ein “jüngeres Duplikat” ist.
Meine Großmutter hatte genau den gleichen Behang in ihrer Wohnküche hinter der Couch – immer,
wenn wir bei ihr zu Gast waren, wurden aus den Fransen kleine Zöpfe geflochten
und immer gab es dafür ein Donnerwetter von meinen Eltern, nie von der Großmutter.

Meine Großmutter starb 1970 und der Wandbehang wurde aufgeräumt (nicht weggeworfen!).

Als wir 1990 einen Tagesausflug nach Leipzig unternahmen, fiel uns im Schaufenster
eines kleinen Geschäftes ein sehr hübscher Wandbehang auf.
Leider konnten wir den nicht kaufen – es war der letzte seiner Art
und die Deko im Schaufenster konnte nicht entnommen werden.
Also sahen wir uns im Geschäft weiter um – und entdeckten den Wandbehang,
wie er zwanzig Jahre lang in der kleinen Wohnung meiner Großmutter gehangen hatte.
Das “Duplikat” hängt nun schon 25 Jahre bei uns in der Wohnung
und erinnert mich auf seine Weise an meine geliebte Großmutter.