Nikolaustag bei den Meiers ...

Pia Meier, 6 Jahre, hat abends schön brav ihre neuen blauen Schuhe vor die Tür gestellt.

Ein friedlicher Abend am 5. Dezember. Papa Hermann hat seine Zeitung gelesen, die Mama Luise gestrickt und der ältere Sohn Paul war noch in die Kneipe gegangen, obwohl er ja wieder morgens früh in die Kaserne muss. Aber Schlaf braucht man ja erst, wenn man älter ist ;).

Nun ist es 5.15 Uhr morgens, das Haus ist still und liegt im bleichen, friedlichen Licht des Dezembermondes.

Es wird lauter. Im Zimmer von Paul rumpelt es, ab und zu ist das Brummeln vom Sohn zu hören. "Wo sind denn die verflixten ..." der Rest geht in Türgeräuschen und allgemeinem Rascheln unter.

Es ist nun fast halb sechs. Noch ist niemand wach geworden durch die Geräusche. Aber das sollte sich ändern ...

Die Tür von Pauls Zimmer geht auf, etwas unsanfter als sonst, man hört Schritte über den Gang laufen. Die Schritte führen zum Zimmer der Eltern. Doch auf einmal halten sie inne. Stille ...

Dann ein Schrei. Die Eltern, eben noch im Bett, stehen nun mit verschlafenen und gleichzeitig erschreckten Augen in der Tür. Und sehen den Sohn, dessen Gesicht von einer aufsteigenden zornigen Röte geziert wird. "Was ist denn los" fragt Hermann.

Paul lässt ihn gar nicht ausreden und poltert "ich suche schon die ganze Zeit meine Bundeswehrstiefel, kann sie nicht finden, dabei müsste ich schon längst auf dem Weg in die Kaserne sein. Ich war gerade auf dem Weg, um euch zu fragen, ob ihr wisst, wo meine Stiefel sind. Und nun seh ich das da !!!"

Der Sohn zeigt mit erregt zitternden Fingern den Gang entlang. Papa dreht seinen Kopf nach links ... und muss laut lachen. Denn vor Pias Tür stehen die Stiefel. Bis oben hin gefüllt mit Nikolausgeschenken.

Die Tür zu Pias Zimmer geht auf, Pia steht in der Tür und meint leise "meine blauen Stiefelchen, die ich gestern Abend vor die Tür gestellt habe, waren doch so klein. Da geht doch nichts rein. Und dann bin ich heute Nacht in Pauls Zimmer und habe seine Stiefel geholt. Paul hat so fest geschlafen und ganz laut geschnarcht, dass er mich gar nicht gehört hat. Und dann habe ich seine Stiefel vor meine Tür gestellt und zum lieben Gott und zum Nikolaus gebetet, dass er ganz viel in diese schön großen Stiefel reintut. Bitte schimpft nicht, ich war doch auch ganz brav dieses Jahr. Und ich habe Mami gestern beim Geschirrspülen geholfen". Bei diesen Worten setzte Pia ihren berühmten Dackelblick auf, dem man kaum etwas abschlagen kann.

Papa Hermann, immer noch am Lachen, meint "ach, wer wird denn hier schimpfen, du warst doch wirklich brav ... und nun geh schön in dein Zimmer, nehme die Stiefel mit und leere sie aus. Dann gib sie ganz schnell deinem Bruder zurück, damit der in die Kaserne fahren kann". Paul wusste inzwischen nicht, ob er sich weiter ärgern soll oder mitlachen. Er entschloss sich für beides gleichzeitig, doch in seinen Augen war mehr Lachen als Ärger zu sehen.

"Mach ich" sagte nun Pia, fröhlich und mit leuchtenden Augen der Vorfreude auf das, was der Nikolaus gebracht hat und schleppte die schweren Stiefel in ihr Zimmer. Dann sagte sie ganz leise zu sich, dass es niemand hören konnte "und nächstes Jahr nehme ich die Gummistiefel vom Papa, die er immer im Garten an hat. Da geht noch viel mehr rein" und auch bei diesem Satz schaute sie so, dass ihr niemand böse sein konnte.