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12. Oktober 2007

Karl-Heinz brummelte leise vor sich in. Nur wer direkt neben ihm stand, konnte in etwa "hoffentlich wird sie bald fertig" hören.

Gelangweilt schaut er zu den Salzkristall-Lampen, ließ sich aber nicht anmerken, wie sehr ihn die brennenden Duftkerzen nervten. Immer schön friedlich bleiben, sagt er zu sich ... lieber jetzt gute Miene zum esoterischen Spiel machen als den ganzen Abend schlechte Stimmung.

So oft ging seine Frau ja nicht in diesen Laden, aber ab und zu kam es eben vor. Und da muss man halt durch.

Er geht die schmalen Gänge auf und ab, als könnte er damit die Zeit beschleunigen. Doch wenn Hilde mal hier war, dann nahm sie sich Zeit. Sie wusste, dass ihr Mann nur sehr notgedrungen mitging, aber das passierte ja nicht oft. Aber wenn, dann richtig. Ist halt blöd, wenn man keinen Führerschein hat und nicht alleine in diesen Laden am Stadtrand kann, dachte sie bei sich ... konzentrierte sich aber ganz schnell wieder auf die vor ihr liegenden Traumfänger.

"Und dann noch die Engelsbücher, Tarotkarten .. der Mondkalender, die Heilsteine und vieles mehr ... lieber Gott, lass endlich Abend werden" ... Karl-Heinz war wieder am leisen Brummeln. Wenn er wenigstens mit etwas Sinnvollem und auch für ihn Ansprechendem die Zeit überbrücken könnte.

Sein Blick fiel auf ein Buch ... "sorge dich nicht, lebe" ... und er musste fast lächeln. Aber nur fast. Er ließ sich nichts anmerken und schaute weiter wie versteinert. Doch er bemühte sich, den Minuten etwas abzugewinnen. Nicht nur wegen dem Buchtitel, sondern auch, weil er schon wusste, dass die Zeit hier noch viel langsamer vorbeigeht, wenn er nichts tat als nervös warten, bis seine Frau fertig ist.

Und so atmete er aus ... und ein ... bemühte sich, ruhiger zu werden ... und schaut mal so durch die Regale, welche Bücher noch da liegen. "Das Buch der Antworten" lag vor ihm. Karl-Heinz setzte sich auf den Stuhl, der in der Nähe stand und blätterte in diesem Buch, in dem nur Antworten stehen. Wie "warte auf ein besseres Angebot" oder "überschlafe die Sache noch einmal" oder auch "alles wird gut".

"Was es nicht alles gibt" denkt er ... ein Buch mit lauter Antworten. Man denkt sich eine Frage aus und das Buch antwortet. So ein Quatsch. Nonsens, esoterischer Blödsinn. Hmm. Man könnte ja ... genau ... man könnte das Buch einmal testen. Wie gut ist es denn in eigener Sache. Und so nahm Karl-Heinz das Buch und murmelte es an "soso, liebes Buch, ich soll dich jetzt kaufen ?" ... dann schloss er die Augen, schlug blind eine Seite auf und las die Antwort "es ist nicht ratsam".

Karl-Heinz lachte leise auf ... und Hilde, die das hörte, wunderte sich nur noch. Noch nie hatte ihr Mann in diesem Laden gelacht. Er muss heute besonders gut gelaunt sein. Das wäre doch eine gute Gelegenheit, seit langer Zeit mal wieder auszugehen. Zum Italiener, der eine Straße weiter ist. Wird bestimmt ein schöner Abend ... dachte Hilde und schon verabschiedete sie sich freundlich vom Verkäufer mit den Worten "ich kaufe heute ausnahmsweise mal nichts, aber ganz bestimmt das nächste Mal wieder".

Hilde ging zu Karl-Heinz und fragt ihn "was meinst du, wollen wir nicht mal wieder schön essen gehen, zu dem Italiener da hinten am Stadtpark.

Karl-Heinz, der nun wirklich gut gelaunt war (erst das Buch und dann seine Frau, die doch viel schneller fertig war und das ohne etwas zu kaufen) lächelte sie an und sagte "frag doch das Buch" und hielt ihr dieses entgegen. Nur kurz war Hilde überrascht, aber da sie wusste, was das für ein Buch war, nahm sie es und sagte "na, du nettes geschriebenes Werk, sollen mein Mann und ich essen gehen" und schlug ohne zu zögern die Seite 115 auf. Die Antwort, die sie nun beide lesen durften:

Zögere nicht, genieße die Stunden.

Lächelnd verließen die Beiden den Laden und gingen händchenhaltend wie in alten Zeiten durch die kleine Seitenstraße in Richtung Park ...


(danke, Christian, für die Inspiration zu dieser Geschichte)



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