Karl-Heinz brummelte leise vor sich in. Nur wer direkt neben ihm stand,
konnte in etwa "hoffentlich wird sie bald fertig" hören.
Gelangweilt schaut er zu den Salzkristall-Lampen, ließ sich aber nicht
anmerken, wie sehr ihn die brennenden Duftkerzen nervten. Immer schön
friedlich bleiben, sagt er zu sich ... lieber jetzt gute Miene zum
esoterischen Spiel machen als den ganzen Abend schlechte Stimmung.
So oft ging seine Frau ja nicht in diesen Laden, aber ab und zu kam es
eben vor. Und da muss man halt durch.
Er geht die schmalen Gänge auf und ab, als könnte er damit die Zeit
beschleunigen. Doch wenn Hilde mal hier war, dann nahm sie sich Zeit.
Sie wusste, dass ihr Mann nur sehr notgedrungen mitging, aber das
passierte ja nicht oft. Aber wenn, dann richtig. Ist halt blöd, wenn man
keinen Führerschein hat und nicht alleine in diesen Laden am Stadtrand
kann, dachte sie bei sich ... konzentrierte sich aber ganz schnell
wieder auf die vor ihr liegenden Traumfänger.
"Und dann noch die Engelsbücher, Tarotkarten .. der Mondkalender, die
Heilsteine und vieles mehr ... lieber Gott, lass endlich Abend werden"
... Karl-Heinz war wieder am leisen Brummeln. Wenn er wenigstens mit
etwas Sinnvollem und auch für ihn Ansprechendem die Zeit überbrücken
könnte.
Sein Blick fiel auf ein Buch ... "sorge dich nicht, lebe" ... und er
musste fast lächeln. Aber nur fast. Er ließ sich nichts anmerken und
schaute weiter wie versteinert. Doch er bemühte sich, den Minuten etwas
abzugewinnen. Nicht nur wegen dem Buchtitel, sondern auch, weil er schon
wusste, dass die Zeit hier noch viel langsamer vorbeigeht, wenn er
nichts tat als nervös warten, bis seine Frau fertig ist.
Und so atmete er aus ... und ein ... bemühte sich, ruhiger zu werden ...
und schaut mal so durch die Regale, welche Bücher noch da liegen. "Das
Buch der Antworten" lag vor ihm. Karl-Heinz setzte sich auf den Stuhl,
der in der Nähe stand und blätterte in diesem Buch, in dem nur Antworten
stehen. Wie "warte auf ein besseres Angebot" oder "überschlafe die Sache
noch einmal" oder auch "alles wird gut".
"Was es nicht alles gibt" denkt er ... ein Buch mit lauter Antworten.
Man denkt sich eine Frage aus und das Buch antwortet. So ein Quatsch.
Nonsens, esoterischer Blödsinn. Hmm. Man könnte ja ... genau ... man
könnte das Buch einmal testen. Wie gut ist es denn in eigener Sache. Und
so nahm Karl-Heinz das Buch und murmelte es an "soso, liebes Buch, ich
soll dich jetzt kaufen ?" ... dann schloss er die Augen, schlug blind
eine Seite auf und las die Antwort "es ist nicht ratsam".
Karl-Heinz lachte leise auf ... und Hilde, die das hörte, wunderte sich
nur noch. Noch nie hatte ihr Mann in diesem Laden gelacht. Er muss heute
besonders gut gelaunt sein. Das wäre doch eine gute Gelegenheit, seit
langer Zeit mal wieder auszugehen. Zum Italiener, der eine Straße weiter
ist. Wird bestimmt ein schöner Abend ... dachte Hilde und schon
verabschiedete sie sich freundlich vom Verkäufer mit den Worten "ich
kaufe heute ausnahmsweise mal nichts, aber ganz bestimmt das nächste
Mal wieder".
Hilde ging zu Karl-Heinz und fragt ihn "was meinst du, wollen wir nicht
mal wieder schön essen gehen, zu dem Italiener da hinten am Stadtpark.
Karl-Heinz, der nun wirklich gut gelaunt war (erst das Buch und dann
seine Frau, die doch viel schneller fertig war und das ohne etwas zu
kaufen) lächelte sie an und sagte "frag doch das Buch" und
hielt ihr dieses entgegen. Nur kurz war
Hilde überrascht, aber da sie wusste, was das für ein Buch war, nahm sie es
und sagte "na, du nettes geschriebenes Werk, sollen mein Mann und
ich essen gehen" und schlug ohne zu zögern die Seite 115 auf. Die
Antwort, die sie nun beide lesen durften:
Zögere nicht, genieße die Stunden.
Lächelnd verließen die Beiden den Laden und gingen händchenhaltend wie
in alten Zeiten durch die kleine Seitenstraße in Richtung Park ...
(danke, Christian, für die Inspiration zu
dieser Geschichte)
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