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15. März 2008


Hey, ich hab Mut ... weil der Kasimir auch Mut hatte.
Ich hab den Mut, ein riesig langes Kalenderblatt mit seltsamen Bildern zu veröffentlichen.
Vielleicht habt ja auch Ihr den Mut, alles zu lesen ;).


Ich könnte auch ein einziges, aber wunderschönes Frühlingsbild bringen,
das wäre dann "normal", weil es eben Frühling ist und solche Bilder immer gut ankommen.

Aber wenn wenn alle immer alles so machen, wie es schon immer gemacht wurde,
dann wird alles immer so sein, wie es immer war.

Wenn aber jemand sagt "ich mach das alles anders", dann ist das Mut.
Manchmal geht's furchtbar schief, manchmal wird's belohnt.

Das heutige Kalenderblatt-Thema habe ich spontan geändert.
Was ich heute hier zeigen oder schreiben wollte, wusste ich nocht nicht,
aber das würde sich finden ... nachdem ich die "Kunst des Tages"-Rubrik aktualisiert habe.

Also schnitt und optimierte ich Bilder, suchte und fand Gedanken, schrieb sie auf
und die Kunst-Rubrik wurde länger und länger, irgendwann waren auf der Seite über 20 Bilder ...

... und zu lang ... und außerdem ... begann mit jedem neuen Bild
der Maler mich mehr und mehr zu faszinieren.

Also beschloss ich: das wird ein Kalenderblatt.


Wenn auch kein mehrheitsfähiges, aber ...

... das war dieser Maler zu seiner Zeit bestimmt auch nicht.


Auch Eure "Kritiken" zu diesem Bild ...



... waren mehrheitlich eher vernichtend.

Komische Menschen, komische Füße, gefällt nicht
und die Blume kann das Ganze nicht retten.

Manche versuchten, das Bild dennoch zu lieben,
aber in den Schoß fiel ihnen diese Liebe auch nicht.

Ich finde es faszinierend, weil es ... anders ist.
Das reicht schon für die Faszination, denn alles,
was hinter dem bisher bekannten Horizont statt findet,
ist Neuland, ist spannende Expedition, ist eine Entdeckungsreise ...

... und deswegen hieß die Kunst-Rubrik am Anfang ja auch so.


Das Bild da oben könnte ich nicht malen.
Abmalen vielleicht, aber einfallen würde es mir nicht.

Dieses Bild aber ...



... das könnte ich malen.
Ein schwarzes Quadrat auf weißem Grund.
Das kann ein Kind malen, wenn es ein Lineal hat
und die Oma könnte es auch, wenn sie nicht zu sehr zittert.

Aber ... Ihr müsst jetzt ganz stark sein ;)) ... dieses Bild,
das sich, welch Wunder, das "schwarze Quadrat" nennt ...

... gilt als eine der Ikonen der Malerei des 20. Jahrhunderts
und hängt in einer der größten und berühmtesten Kunstsammlungen Russlands.

Warum denn das ?
Vielleicht weil es 1915 gemalt wurde.

Wenn man weiß, dass es solche abstrakten Bilder schon gibt,
dann fällt es leicht, "das könnte ich auch" zu sagen.
Aber als erster Mensch so etwas zu malen, das ist schon etwas Besonderes.

Das ist also nicht nur ein Quadrat, das ist Kunst.
Punkt ... äh, Quadrat natürlich.

Das Bild hängt in Russland ... weil auch der Maler ein Russe war.
Das ist er ...



... der Herr "Kasimir Sewerinowitsch Malewitsch" (1878-1935).

Seine Bilder hinter ihm ... haben etwas von Kandinsky.
Einen Maler, den ich sehr mag, dessen Bilder ich aber wegen Copyright nicht veröffentlichen darf.
Denn Kandinsky wird erst 2015 copyrightfrei.
Da müssen wir uns noch etwas gedulden ... also mache ich mit Kasimir weiter.

Denn wenn mich nicht alles täuscht, dann ist das Bild da hinter seinem Kopf dieses Bild:



Ist in Farbe doch schöner als schwarz-weiß.

Vielen Kästchen, Linien, klare Geometrie.
Wie farbige Lineale, kunstvoll arrangiert.
Aber sowas könnte es ja in Wirklichkeit geben ... diese Gestalten aber ...



... sind reine Fantasie.

Die Farben sind schön ... die Landschaft ein Hingucker ... und die Gesichter ...

... fallen in die Abteilung "freie Interpretation einer mundaugennasenlosen Schattierung" ;)).

Aber das muss man erstmal malen ... im frühen 20. Jahrhundert.

Das ist ein Bild, das auch heute nicht unmodern wirkt, auch wenn es nicht jedem gefällt.
Aber dennoch seine Freunde finden wird.

Manchmal hat der Maler auch die Personen ausgespart und nur den Hintergrund gemalt:



Als wäre jemand mit einer großen Schere da gewesen.
Relativ aufgeräumt, dieses Bild ...

... während hier ...



... so allerhand ineinanderverschachtelt rumliegt ;)).

Ob's in dem Herrn auch so ausgesehen hat ?


Sagen wir mal so: nicht nur.

Denn er konnte auch fast lieblich malen:



Ja, er konnte sogar den Menschen Gesichter geben:



"Portrait einer Frau", wobei hier eine gewissen Männlichkeit in den Gesichtszügen liegt.
Zumindest empfinde ich das so ... und ich empfinde dieses Bild auch
ausgeruht, friedlich, farbig ... frühlingshellsommerlich.

Es sei denn, ich schaue mir die Tischdecke genauer an ... ist das nicht Blut ... ah bäh ... ich hab
wohl zuviel Filme gesehen, in denen das so war ;)).

Die Farben sind ja fast impressionistisch ... während in seinen anderen Bildern
eher eine gewissen Kühle zu finden ist.

Hier ...



... haben wir das eine (erkennbares Motiv) und das andere (die Farben).

Wirkt gestellt, so stellt man sich hin, wenn man fotografiert wird ;).
Aber was heute die Fotografie ist, war ja früher die Malerei.

Schwenken wir noch mal zu den Gestalten, die er öfter gemalt hat:



Bunte Umrisse, Flächen, Farbverläufe.

Im frühen 20. Jahrhundert gemalt, das muss man sich immer wieder vor Augen führen.


Wenn ich mir die Selbstportraits des Malers betrachte ...

 

... so komme ich zu dem Schluss "Genie und Wahnsinn liegen nah beieinander".

Und dann sehe ich dieses Bild ...



... lese, dass das auch ein Selbstportrait ist und bin erneut überrascht.

War Picasso normal ?
War es Dali ?

Ist doch klar, dass ein Maler, der neue, innovative Bilder gemalt hat,
auch im Kopf innovativ sein muss, denn diese Bilder sind ja der Spiegel seiner Seele.

Eine Malerseele, die auf vielfache Weise immer wieder anders ist,
denn dieses Bild hat er auch gemalt:



Bilder zwischen ...



 

... bedrohlicher Industrie und freundlicher Oase.


Ja, er konnte auch richtig optimistische Bilder malen:



Der Frühling mit seiner hellen Farbigkeit.
Wer dieses Bild als erstes Bild in einer Ausstellung mit Werken dieses Malers sieht,
der glaubt kaum, was er sonst noch so sehen wird.


Hier ...



... hat er ganz traditionell gemalt.


Und hier ...



... auf seine ganz eigene Art.


Was wäre, wenn man jetzt beide Stile mischen wollte ?
Das sähe dann vielleicht so aus:



Man neigt dazu, zu sagen, dass das auch ein Kind gemalt haben könnte.

Man neigt aber auch dazu, sich ein solche Bild nicht lange genug anzuschauen.
Und zu übersehen, dass da ...



... auch Tauben und ein Hahn zu sehen sind.
Und die Säge ... was will der Maler uns sagen ?
Will er uns überhaupt etwas sagen oder bildet er nur ab ?
Das Bild heißt "Urlaub" oder "Ferien",
also scheint der Mann Hobby-Heimwerker zu sein ?? ;)


Haben wir jetzt alle seine Stile gesehen ?
Noch lange nicht ... das Bild hat er auch gemalt:



Er hat sogar comicartige 1. Weltkriegs-Szenen gemalt:



Dieses Bild könnte vom Stil her auch in den 70er Jahren entstanden sein ?
Fehlt nur noch ein "krawusch" irgendwo.

Der Unterschied zum modernen Comic: die Blumen.
Kein Gras, sondern Blumen.
Ob das nur ein Stilbruch sein soll ?
Oder eine Aussage ?
Oder Ironie ?
Oder gar Sarkasmus ?


Ganz anders ... aber nicht minder kriegerisch ...



... ist dieses Bild.
Auf den ersten Blick ein Pferderennen, doch der Bildtitel spricht von "Kavallerie",
was dann wieder wenig friedlich ist.

Eben noch wie ein Comic und nun diese ganz andere, reduzierte Art, ein Bild zu gestalten.


Apropos reduziert ... ganz oben war das Quadrat, in schwarz und ziemlich gerade.

Das gibt auch in rot und etwas schief:



Ach, ich könnt noch ewig weitermachen ... ist noch jemand da, der liest ?

Ich möchte nicht wissen, wie viele Leser das erste Bild angeschaut und einmal quergescrollt haben,
um dann "ürgs, was für komische Bilder" und "umpf, was für einen Haufen Text" zu sagen.
Das war's dann auch schon, bis zu dieser Zeile haben diese Leser es wohl nicht geschafft ;)).

Hey ... das Kalenderblatt hier zu gestalten dauert noch viel länger als es zu lesen ;)).
Ich bin jetzt bei genau 2 Stunden (3 Stunden werden es ingesamt sein),
in denen ich schreibe und denke und zeige und mit dem Grafikprogramm arbeite.

Drei Stunden ... viel für etwas, das viele gar nicht interessiert.
Aber muss denn ein Kalenderblatt mehrheitfähig sein ?

Viel für ein Kalenderblatt, wo ich doch in 10 Minuten 5 Fragen gestellt hätte
und dabei auch noch viel, viel mehr Kommentare als heute "ernten" dürfte.

Doch, doch, ich weiß das aus Erfahrung.
Auch wenn das heute vielleicht etwas anders sein dürfte,
weil ich diesen Satz mit den Kommentaren eben geschrieben habe ;)).

Dieser Herr und die Kunst sind es wert.
Wenn mich etwas fasziniert, dann möchte ich das auch anderen zeigen
und nehme mir gerne die Zeit dafür.

Ich hab nur das Problem, dass ich eben einen Link angeklickt habe
und dort sage und schreibe und staune 192 Bilder des Malers fand.
Uff ... nun könnte ich ewig weitermachen oder alles ganz neu gestalten.

Denn die Bandbreite des Künstlers ist unendlicher als gedacht.

Er sind freundliche Wesen auf den Bildern zu sehen ...



... aber auch schaurige Gestalten:



Nicht minder seltsam:



Dicke Hände, dicke Füße, ja es könnten Eingeborenenmalereien sein.
Australien, ferner Osten ... wo auch immer.

Dem Bild oben fehlt Leichtigkeit ...



... und diesen Menschen fehlen die Arme.


Wenn man denkt, es könne kaum schlimmer kommen, dann ...



... spießt das Mütterchen mit sichtbarer Freude einen Soldaten auf.
Ich gehe mal davon aus, dass es ein solcher ist.
Ist auch egal, aufgespießt ist aufgespießt und Blut ist Blut.


Jaja, alles ganz furchtbar ... und dann auf einmal hat der Mensch ...



... ganz friedliche Stoffmuster gestaltet.


Oder Skizzen für ein Opernkostüm gemalt:




Oder weiße Frauen mit Hüten auf grünem Rasen:



Da hat er's jetzt fast übertrieben mit der Anzahl der Menschen auf einem Bild ;)).


Aber immer noch besser als hätte er
eine Geige und eine Kuh ... wie ... das hat er auch gemalt ... seufz.



Könnten wir mal bitte farbiger und ruhiger werden ??



Dankeschön.

Aber ... könnte ich bitte auch ... die Natur wieder haben ?



Ja, wunderbar ... sanft, ruhig, hell ... schönes letztes Bild.

Aber wie auch wir nicht immer sanft, ruhig und hell sind, war es der Maler auch nicht.
Im Gegenteil, es scheint öfter düster in ihm gewesen zu sein.

Auf jeden Fall war er genial genug,
dass ihm jemand 73 Jahre nach seinen Tod ein Kalenderblatt widmet.
Es war mir eine Ehre, Herr Kasimir Sewerinowitsch Malewitsch.

Wer noch mehr Bilder von dem Maler sehen will, der schaue mal bei Olgas Gallery rein,
dort gibt es die besagten 192 Bilder.

Nachtrag: natürlich ist das Bild vom dem Maler, und da hat die Katinka völlig recht,
ein anderes, wenn man die Bilder in chronologischer Reihenfolge anschaut.
Da sieht man dann klar die Schaffensperioden und auch, dass seine verschiedenen Malstile
nicht gleichzeitig passiert sind, sondern früher dieses und später jenes.
Das relativiert dann die Bandbreite etwas, aber auch das muss man können:
im Laufe der Zeit seine Kunst immer wieder neu erfinden bzw. interpretieren.
 



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