Mit
dem Fahrrad
nach Peking (11)
Die Seelenfarben-Sommerreise 2008
24. Mai 2005
Der Bus
hurz
ist fort
Der Bus, der uns angeboten hat, über die Berge zu fahren, ist nach
unserer dankenden Ablehnung weitergefahren. Wir sind halt tapfer und
stolz. Wir "fahren mit dem Rad".
Guter Dinge schwitzen wir uns durch das Land.
Alles ist im grünen Bereich ... die Wiesen, die Wälder ... und diese
große Straße, die sich M7 nennt.
Düdeldüdelholdrijo fahren wir leise summend so vor uns hin ... und von
der Hauptstrasse ab. Es gibt doch auch noch Nebenstrecken und wir biegen
jetzt mal ab und fahren Richtung Perm.
Alles ist schön.
Schön heiß.
Heißer.
Viel zu heiß.
Hmm ... was ist denn mit dem Asphalt los ?
Irgendwie so weich.
Hmm ... fährt sich aber recht schwierig.
Hmmm ... komisch, komisch ... anstrengend.
Immer weicher wird die Straße und für uns wirds immer härter zu fahren.
Das ... gibts doch nicht !!
Der ... Bitumen schmilzt.
Die Decke der Straße ist durch die Sonne und die LKWs so weich geworden,
dass es ...
... im Profil unserer Reifen kleben bleibt !!!
Bitumen ist grau.
Das Grau-en ist da !!
Es geht bergauf und Bitumen, Sand und Steinchen kleben an unseren
Reifen.
Reifen, die immer größer werden.
Und mit denen immer schwerer zu fahren ist.
Wir fahren an einem Stück Eisen vorbei ... halten an und kratzen den
zähen Brei von unseren Reifen.
15 Kilometer fahren wir so ... klebende Reifen voller Steine und
Asphalt.
Jeden Kilometer (also 15mal !!!) müssen wir anhalten und mit dem Stück
Eisen den Brei wegkratzen.
Das Stück Eisen ist unser Feind und Freund gleichzeitig geworden.
Endlich ... nach diesen unendlichen 15 Kilometern konnten wir auf eine
Nebenstrasse ausweichen. Gott sei's getrommelt und der Hölle sei's so
schnell nicht vergeben.
Die jetzige Straße ist nicht perfekt, aber weitgehend ok.
Wird der Abend ein schöner sein ?
Wird er uns für den Stress belohnen ?
Finden wir einen traumhaften Zeltplatz ?
Einen mit wunderbarer Aussicht auf einen See ?
Ja !!!!:))
So schön war es aber erst nach dem einen Schreck ... wir denken an nix
Böses, suchen einen schönen Platz zum Übernachten ... auf einmal flieht,
von uns aufgeschreckt, in ca. 60 Meter Entfernung, ein riesiger Elch. Uff, damit hätten wir nun
nicht gerechnet.
Nach diesem ganz individuellen Elchtest fällte Hermes eine weitere
folgenschwere Entscheidung.
Er sagt "ich gehe jetzt runter zum See und wasche mich dort".
Sagt es und verschwindet ... die steile Böschung zum See hinunter
gehend.
Einige Minuten später war er wieder da ... völlig verschwitzt, weil der
Anstieg so anstrengend war.
Es ist nicht überliefert, ob Hermes noch mal runter ist, um sich zu
waschen *fg*.
Frauen sind da ja cleverer ... sie nehmen die Waschschüssel und genießen
die Aussicht auf den See ;)).
25. Mai 2005
So herrlich wie der obige Ausblick ist auch die Landschaft, durch die
wir heute fahren. Heute ist wirklich alles im frühlingsgrünen Bereich
... dazu strahlend blauer Himmel, kaum Verkehr und eine himmlische Ruhe.
Diesen Himmel können wir nach der Hölle gut gebrauchen.
Wir rasten an einer Tankstelle und sofort kommt das ganze Personal
angerannt und bedient uns mit großer Herzlichkeit. Tische und Stühle
werden in den Schatten getragen und Albert, der Security-Mann behielt
immer unsere Räder im Auge. Da die Dame an der Kasse sehr gut englisch
spricht, entwickelt sich schnell ein nettes Schwätzchen.
Kommt ein Mann vorbei, der tanken will ... und uns ganz genau den Weg
nach Agris erzählt. Wie wir über Nebenstraßen dort hin kommen.
Wir dürfen mal wieder "nicht" ohne Geschenke weiter fahren, diesmal sind
es zwei Tüten Bonbons und zwei Schachteln Zigaretten. Denn Hermes
Mitfahrerin raucht. Auch das geht ... rauchen und nach Peking radeln. Es
gibt sehr vieles im Leben, was möglich ist und es gibt sehr viele
Menschen, die man nicht in Schubladen stecken kann.
Die Pausen ... die haben wir nicht für uns.
Denn wo wir sitzen, halten andere an.
So auch an dieser Bushaltestelle ... da hält ein Lieferwagen an, dem
unsere Räder aufgefallen sind. Er interessiert sich sehr für unsere
Reise und wir müssen Rede und Antwort stehen, was wir gerne tun.
Wir zelten auf einer Lichtung und der Abend nennt sich "Libellenabend",
denn der Himmel über uns ist voll von ihnen.
26. Mai 2005
Wir schreiben zwar das Jahr 2005, aber reisen heute in der Zeit zurück.
Denn in Krindi, einem kleinen Dorf, ist die Zeit stehen geblieben. Ein
Dorf wie aus einem alten Bilderbuch, Enten laufen herum, Gänsejungen
schwimmen in einer Pfütze und fressen das Grünzeug am Rand. Leute stehen
auf der Straße und erzählen sich was ... und eine ländliche
Zufriedenheit streichelt unsere Seele. Geborgenheit, Heimat, sie wohnen
hier.
Und auch Pferde:
Wir fahren weiter nach Tersi ... kurz, bevor wir den Ort erreichen,
treiben russische Cowboys (auch sowas gibts) eine riesige Herde ...
nein, keine Pferde, sondern ... Kühe über die Straße.
Und dann:
Das Grauen kehrt zurück !!
Wieder kleben unsere Räder auf der Straße, weil purer Teer gesprüht
worden war. Fünf lange Kilometer müssen wir das aushalten, dann ist
wieder alles so, wie es sein soll. Als wenn die Straße nie ein
Wässerchen hat trüben können.
In einem kleinen Dorf kaufen wir ein, aber leider sind die Zwiebeln
alle. Daraufhin läuft die Frau schnell nach Hause, holt zwei Zwiebeln
und schenkt sie uns. Wieder mal eine so unendlich nette Geste.
Hmm ... Hermes schreibt jetzt, dass ihn ein Holzbauer mit seinem Traktor
überholt hat ... ich aber hab dieses Bild:
Ich weiß jetzt nicht, ob er dieses 1-PS-Gefährt als Traktor bezeichnet
hat (weil das eben die russische Variante eines Traktors ist) oder ob
auch noch zusätzlich ein Traktor die Beiden überholt hat.
Auf jeden Fall hat der Mann, der überholt hat, angehalten und Hermes und
seine Mitfahrerin zu sich nach Hause eingeladen. Was diesmal allerdings
dankend abgelehnt wurde, dann Hermes hatte einige frische Sachen
gekauft, die verbraucht werden mussten.
Verbraucht hatte sich auch das schöne Wetter, denn in der Nacht gibt es:
starker Sturm
Regen
Gewitter
Man gönnt sich ja sonst nix ...
27. Mai 2005
Der Regen geht, der Wind bleibt (die Frisur hält).
Wir auch.
Nein, ich esse meine Suppe nicht.
Nein, ich fahre kein Fahrrad heute.
Irgendwo gibt es eine Grenze, was den Wind betrifft.
Upps ... der Wind hört mit.
Denn gegen Mittag hört er auf.
Also fahren wir spät, aber immerhin.
Eine ganz wichtige Begegnung haben wir unterwegs ... ein Russe, der
Ruslan heißt ... und deutsch kann, spricht mit uns und empfiehlt uns ein
gutes Hotel in Ischewsk. Dort will Ruslan dann auch hin kommen.
2 1/2 Stunden müssen wir noch fahren, bis wir dort sind und dürfen einen
netten Abend mit dem Herrn verbringen. Der gottseidank ein geduldiger
Mensch ist, denn wir haben ihn eine ganze Stunde warten lassen, weil wir
zu spät waren ... wieder mal eine neue Zeitzone, von der wir nix
wussten.
Uhr umgestellt ... jetzt sind wir wieder auf dem Laufenden.
.
.
.
Liebe Daheimgebliebene ... die Ihr immer wieder so ein kleines bißchen
"ach, wär schon schön, auch mal sowas zu machen" denkt ... ich will Euch
sagen, wie die Überschrift an diesem Abend lautet:
Wir kämpfen gegen wilde Tiere.
Die Tiere nennen sich Zecken und ... wie schön ... Moskitos.
Russland ist viel größer alles andere Länder ... und hat auch viel mehr
Moskitos.
Auch wenn ich mich wiederhole: man gönnt sich ja sonst nix.
Seufz.
28. Mai 2005
E.T. sagte immer "nach Hause telefonieren" und das wollen wir heute auch
mal tun. Zu diesem Zweck suchen wir eine Post ... die wir auch finden.
Aber nach Deutschland telefonieren ... keine Chance. Oder auf russisch
"swanit ? njet !" ... nein, das "warnit nett".
Magazin, so heißen die Geschäfte und an einem solchen halten wir auch,
um zu frühstücken. Als Chinarollender darf man aber nur dann
frühstücken, wenn man gleichzeitig Fragen beantwortet. Woher, wohin,
wie, warum. Der Lohn unserer Antworten sind nette Begegnungen und an
diesem Morgen der Tipp, wir sollen doch über den Ural diese andere
Strecke da fahren, die wäre schöner.
Wie aber sollen wir das tun, wenn wir kein Kartenmaterial für diese
Strecke haben ?
Kannit fahren ... njet, leider.
Kanndoch fahren ... denn der Mann läuft nach Hause, holt einen
Straßenatlas, erklärt uns den Weg ...
... und schenkt uns den Atlas.
Ohne Worte ...
.
.
.
Die Landschaft ist immer noch hügelig ...
... aber "wat willse maache, da musse durch".
Das Bild da zeigt ja schon alles ... aber man kann das so schneiden,
dass es die Hügelkeit so richtig rüberbringt:
Das hat schon seine eigene Dimension !!
.
.
Stehen in Russland am Straßenrand große Tanks ... was bedeutet das ??
Es gibt dann etwas zu trinken !
Was ?
Kwas !
Das ist das typische russische Sommergetränk ... aus Hefe und Wasser ...
und ... das probieren wir nun mal.
Hermes, wie hats denn geschmeckt ??
Die Originalantworte von Hermes ist: naja
Aber unser radfahrender Seelenfärbler ist natürlich ein freundlicher Mensch
und zeigt "keinen" naja-Blick ... woraufhin die Verkäuferin ihm ganz
spontan eine 1,5-Liter-Flasche mit Kwas schenkt ;)). Sich freundlich
bedankend fährt Hermes weiter ... na ja *fg*.
Wotkinsk ... das ist die Stadt ... vor dem Regen.
Es wird Abend und ein Naturgesetz sagt: alles ist nass.
Das zweite Naturgesetz: Ende Mai steht das Gras hoch auf den russischen
Wiesen.
Welch ein Vergnügen, im kniehohen nassen Gras ein Zelt aufzubauen.
Aber, ich wiederhole mich schon wieder: man gönnt sich ja sonst nix.
--
Meine heutigen Fragen:
1. Hattest Du mit Traktor jetzt einen wirklichen Traktor oder dieses
Pferdewägelchen gemeint ?
2. Fahren auf den Straßen hauptsächlich LKWs oder sind die Russen, was
Privatautos betrifft, auch schon gut motorisiert ?
3. Wie roch für Euch das Land ... nach Diesel, Schweiß oder Natur ?
4. Bei uns heißt es an den Brunnen doch immer "kein Trinkwasser" ...
hattet Ihr keine Angst, aus einem Dorfbrunnen Wasser zu schöpfen ?
5. Kurzer Rückblick zu Nischni Novgorod ... Du sagtest, das Frühstück
sei "mickerig". Wie genau sieht denn ein Frühstück aus, das so ist ?
6. Habt Ihr auch Synagogen
gesehen ??
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