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5. September 2008


Mit dem Fahrrad nach Peking (16)

Die Seelenfarben-Reise 2008



14. Juni 2005

Ja, es waren zwei friedliche Tage in Jekatarinburg ... nach den ganzen Aufregungen in der letzten Zeit. Die mit ihren Nachwirkungen aber auch während des Stadtaufenthaltes für viel Lauferei und Warterei sorgten. Doch immerhin ist irgendwie ein neuer Anfang da. Wir sind nun in Asien und haben nun ein neues Ziel:



Diese blaue Strecke da ... von Jekatarinburg am Urall nach Omsk in Sibirien. Irgendwann während dieser Strecke haben wir ...

... die Hälfte geschafft.

Wir, das sind die Leser des Kalenderblattes, die wir kräftig in die Pedale treten ... aber dennoch ganz weit von den wirklichen Anstrengungen von Hermes und seiner Mitfahrerin entfernt sind. Aber auch weit von dieser besonderen Faszination einer Fahrradreise vom Schwarzwald nach Peking.

Mit allerhöchstem Respekt schreibe ich diese Seelenfarben-Reise, deren Grundlage der Reisebericht von den Beiden ist. Sehr akribisch Tag für Tag ein paar Zeilen notierend.

Schaumermal ?
Nein ... fahrnmermallos !

Möge der Frieden noch lange mit uns mitradeln.

Es geht auch sehr schön los ... wir fahren Autobahn und die Straße ist gut.
Wir begegnen einem Militärkontrollpunkt und nebendran ist ein Café, so dass wir unserer Fahrräder unter Polizeischutz abstellen können.

Die Straße bleibt gut, die Landschaft wird flacher, die Berge haben wir in Europa zurückgelassen. So darf es gerne bis China weitergehen. Hey, da oben, hat das jemand gehört und den Wunsch mal aufgeschrieben, damit er nicht verloren geht ??

Nee ... da oben ist gerade kein Bleistift zur Hand, sonst würden wir an diesem Abend verschont bleiben.

Wir kommen zum Tier des Tages und das ist leider "nicht" ...



... dieser Wolfshund.

Dann das TdT lebt in der Mehrzahl und beginnt mit S oder B:
Stech- und Beißwesen.

Aus den Reisenotizen von Hermes:

"... wir sind hier am Ausprobieren mit finnischen und russischen Mitteln. Es sind nicht mal die Moskitos selbst, die uns Kopfzerbrechen bereiten, sondern eine Art Pferdebremsen, die sehr gross ist, sehr weh tut, wenn sie
beisst ... und die Bißstelle entzündet sich sofort und wird ungefähr so gross wie ein 2-Eurostueck. Und dann gibts es noch Winzlinge, die es in sich haben und in die Ärmel, Hosenbeine, Ohren und Nase hineingrabbeln und beißen!
".

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kalenderblattleser ... sollte ich selbst nach Peking radeln und durch einen besonders glücklichen Umstand bis nach Ekatarinburg gekommen sein, so wäre nun

ab sofort

meine Reise zu Ende.

Moskitos.
Pferdebremsen.
Winzlingbeißer.

Nein, ohne mich ... keinen Meter würde ich weiter fahren. China, ich komme wieder, wenn auf dem Weg zu dir nichts mehr sticht. Aber Winter darf es auch nicht sein. Also: Ende Gelände ... und das wegen dem kleinsten aller Übeln. Winzlinge, die beißen. Gulliver, gequält. Njet. Njetnjet.

Aber Hermes und Mitfahrerin sagen "si si" und "ja ja" oder auf russisch "da da".

Ich hätte "da da da" gesagt, etwas ganz anderes gemeint und Richtung Heimat gezeigt.

Doch Hermes ist nicht ich ... und baut sein Zelt dort auf, wo Moskitos und Co. fliegen. Aber so hart man auch im Nehmen, das Abendessen findet heute "im" Zelt statt. Draußen wäre Selbstmord ... oder besser ... draußen wären wir selbst Abendessen für die Mosikitos.

Im Zelt essen ... geht ja noch ... höre ich das gerade jemand von Euch denken ??

Aus Hermes Notizen: "... es
ist "überlebensnotwendig", beim abendlichen Stop sich als Erstes mit Mückenmittel einzureiben, dann Regenkleidung anzuziehen, dann das Zelt aufbauen und die Eingänge auch mit Mückenmittel versehen. Unseren Blutzoll zahlen wir trotzdem".

Hätte mich jemand gefragt "du, was glaubst du, wo die größten Schwierigkeiten sind, wenn man nach Peking radeln will", ich hätte gesagt "dass man vom Rad fällt" ... aber nie im Leben hätte ich an eine so perfide Insektenquälerei gedacht. Hermes, ich verneige mich, dass Du das ausgehalten hast. Und das ist "nicht" ironisch gemeint.

Zelt zu.
Gute Nacht.
Schnarch.
Stech.


15. Juni 2005

Es ist Morgen und wir packen unsere sieben bis fünfunddreißig Sachen und da fährt ein einzelner Radwanderer an uns vorbei. "Den holen wir wieder ein" denken wir. Richtig gedacht ... allerdings war das so, dass gegen Mittag dieser Radwanderer "uns" überholt ... irgendwo muss der zwischenzeitlich abgeblieben sein.

Wir kommen mit dem Herrn ins Gespräch, erfahren, dass er Slave ist, Sam genannt werden will, selbständig ist und Taschen für Outdoorausrüstungen und kommerzielle Fallschirmspringerausrüstung produziert.



Und auch mit dem Fahrrad unterwegs ist.
Von Moskau nach Wladiwostock.

Die Karte nochmal bitte:



Noch so ein Verrückter *gg*.

Ist ja klar, dass das ein ganz toller und interessanter Abend wird. Gemeinsam am Fluß zelten und über Gott, die Welt, Russland, das Fahrrad und die Insekten diskutieren.



Die gleiche Szene, von der anderen Flußseite gegen die Sonne fotografiert:



Doch doch, sind auch hier zwei Zelte ... das eine steht unsichtbar hinter dem anderen.

Es ist der Wahnsinn, dass es a) noch mehr solche Weltumradler gibt und b) sich diese auch noch treffen. Ein Tag später oder früher und nix wäre es gewesen mit der Begegnung.

Aber wissen wir's, wie viele Begegnungen bisher um einen Tag "nicht" stattgefunden haben.



16. Juni 2005

Schreck am Morgen ... Hermes stellt fest, dass sein rechtes Fahrradpedal locker ist. Also auseinander nehmen und mal schauen was los ist. Und es ist ganz schön was los: das Kugellager ist total zermahlen. Heidernei ... und wir können außer kräftig einfetten gar nix tun. Das Fett selbst ... eine Leihgabe von Sam. Wie gut, dass wir gerade ihn getroffen haben ... wir beschließen, zu hoffen, dass wir Sam am Baikalsee ...



... wieder sehen.

Da bin ich mal selbst gespannt, ob das passieren wird. Denn ich lese nur die Tage, die hier auch veröffentlicht werden, aber nicht weiter vor ... um mir selbst die Spannung nicht zu nehmen.

Die Spannung auf das, was da kommt ... die Erlebnisse und auch die schönen Aussichten am Straßenrand:



Die Kirche von Kamyschlow. Gleich nebendran dieses hier:



Hier war mal die alte Postkutschenstation. Ist übrigens eine Stadt von knapp 30.000 Einwohnern.

Ab und zu muss man einkaufen und wir tun das in der nächsten Stadt, die da "Werchnjaja Pyschma" heißt. Sind schon seltsam klingende Namen ... zumindest für unsere Ohren ... aber wie mag für die Russen "Kornwestheim" oder "Bernkastel-Kues" klingen ;)).

Pyschma hat auch eine Moschee, die aber von Hermes nicht fotografiert wurde ... man kommt ja nicht überall vorbei und zusätzliche Stadtrundreisen hätte den Zeitrahmen schon ein bißchen gesprengt. Ist zwar schade, dass man viel Straße und viel Wiesen gesehen hat, aber in Städten nur das, was am Weg lag, doch das ist eben der Unterschied zwischen Rad und Muskelkraft bzw. Auto und Motor.

Ein Bild von der Moschee gibts trotzdem und zwar aus Wikipedia:


Fotograf: Hardscarf

Gibt es Gott ?
Gibt es mehrere davon ?
Ist gerade der Christengott (weil Schwabe unterwegs) oder Allah (wegen Moschee) zuständig ?

Egal ... irgendjemand da oben hatte gute Laune und ließ und einen schönen Zeltplatz auf einer gemähten Wiese im Wind finden. Ein herrlicher Platz, denn es gibt so gut wie keine Mücken :)).


17. Juni 2005

Der liebe Gott hat immer noch gute Laune ... die Straße ist wunderbar ... wir haben Rückenwind. Wir singen "danke für diesen guten Morgen, danke für diesen schönen Tag".

Wir singen weiter "danke, daß ich all meine Sorgen auf Dich werfen mag" und ahnen nicht, dass wir heute noch was zu werfen haben.

Aber erstmal Friede, Freude, Gottdabei ... wir fahren auf der Schmetterlingstraße. Zumindest nennen wir sie so, weil wie Tausende dieser schönen Wesen sehen dürfen. Hier ist einer davon:



Schön ... und es bleibt schön ... denn es bleibt schön ... wir kommen auf die Erdbeerstraße. Auch wieder ein eigener Name, der dadurch entstand, dass wir an vielen vielen Verkaufsständen vorbeikamen. Verkauft werden ... nein, keine normale Erdbeeren, sondern zuckersüßwundervolle Walderdbeeren.

Der liebe Gott ist mit uns.

Gewesen.

Denn es scheint ihn jemand anderes gerufen zu haben ... denn die süßen Erdbeeren waren nun erstmal das letzte Zuckerschlecken an diesem Tag.

Denn es folgte nach zügigen 50 Kilometern bis eben eine Baustelle.
Aber nicht irgendeine, sondern eine, die 40 km lang ist !!!
Straßenverhältnisse, die grauenvoll anstrengend sind, so der Originalton von Hermes.

Das alleine hätte ja schon gereicht ... aber wir erblicken, dass rechts und links der Straße alles bis zu 10 Meter breit unter Wasser steht ... die nahenden Sümpfe lassen grüßen. Da kommst du irgendwann in die Tiefebene, hast keine Berge mehr zu erklimmern, findest aber Sümpfe, die ein Moskito-Eldorado sind.

Hinter dem Wasser, was wir sehen, sind abgestorbene Birken und dahinter Birkenwald ... schlimmer gehts nimmer, mückenmäßig gesehen. Darum: weiter radeln, keine Pause vortäuschen. Keine Pause möglich.

Und ... der liebe Gott ist immer noch abwesend ... es wird noch schöner. Denn bei diesen miesen Straßen müsste man eigentlich beide Hände am Lenker lassen. Müsste ... geht aber nicht, denn eine Hand braucht man immer, um die Mücken abzuwehren. Da wünscht sich der härteste Radfahrer, dass ihm auf seinem Kopf spontan ein Kuhschwanz wächst.

Oder das der liebe Gott wieder Zeit hat.

Denn solange es so mückt und bremst, ist der Gedanke an einen Zeltplatz pure Zeitverschwendung.

Wenigstens haben wir Rückenwind, der uns hilft, das Ganze irgendwie durchzuhalten.

Bis ... wir am Abend ... nach weiteren 20 Kilometer (Tagesfahrstrecke: über 100 km !!) dann doch noch einen geeigneten Zeltplatz finden ... hallo lieber Gott, schön, dass Du wieder da bist.

 

 



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