Mit
dem Fahrrad
nach Peking (16)
Die Seelenfarben-Reise 2008
14. Juni 2005
Ja, es waren zwei friedliche Tage in Jekatarinburg ... nach den ganzen
Aufregungen in der letzten Zeit. Die mit ihren Nachwirkungen aber auch
während des Stadtaufenthaltes für viel Lauferei und Warterei sorgten.
Doch immerhin ist irgendwie ein neuer Anfang da. Wir sind nun in Asien
und haben nun ein neues Ziel:
Diese blaue Strecke da ... von Jekatarinburg am Urall nach Omsk in
Sibirien. Irgendwann während dieser Strecke haben wir ...
... die Hälfte geschafft.
Wir, das sind die Leser des Kalenderblattes, die wir kräftig in die
Pedale treten ... aber dennoch ganz weit von den wirklichen
Anstrengungen von Hermes und seiner Mitfahrerin entfernt sind. Aber auch
weit von dieser besonderen Faszination einer Fahrradreise vom
Schwarzwald nach Peking.
Mit allerhöchstem Respekt schreibe ich diese Seelenfarben-Reise, deren
Grundlage der Reisebericht von den Beiden ist. Sehr akribisch Tag für
Tag ein paar Zeilen notierend.
Schaumermal ?
Nein ... fahrnmermallos !
Möge der Frieden noch lange mit uns mitradeln.
Es geht auch sehr schön los ... wir fahren Autobahn und die Straße ist
gut.
Wir begegnen einem Militärkontrollpunkt und nebendran ist ein Café, so
dass wir unserer Fahrräder unter Polizeischutz abstellen können.
Die Straße bleibt gut, die Landschaft wird flacher, die Berge haben wir
in Europa zurückgelassen. So darf es gerne bis China weitergehen. Hey,
da oben, hat das jemand gehört und den Wunsch mal aufgeschrieben, damit
er nicht verloren geht ??
Nee ... da oben ist gerade kein Bleistift zur Hand, sonst würden wir an
diesem Abend verschont bleiben.
Wir kommen zum Tier des Tages und das ist leider "nicht" ...
... dieser Wolfshund.
Dann das TdT lebt in der Mehrzahl und beginnt mit S oder B:
Stech- und Beißwesen.
Aus den Reisenotizen von Hermes:
"... wir sind hier am Ausprobieren mit finnischen
und russischen Mitteln. Es sind nicht mal die Moskitos selbst, die uns
Kopfzerbrechen bereiten, sondern eine Art Pferdebremsen, die sehr gross
ist, sehr weh tut, wenn sie
beisst ... und die Bißstelle entzündet sich sofort und wird ungefähr so
gross wie ein 2-Eurostueck. Und dann gibts es noch Winzlinge, die es in
sich haben und in die Ärmel, Hosenbeine, Ohren und Nase hineingrabbeln
und beißen!".
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kalenderblattleser ... sollte ich
selbst nach Peking radeln und durch einen besonders glücklichen Umstand
bis nach Ekatarinburg gekommen sein, so wäre nun
ab sofort
meine Reise zu Ende.
Moskitos.
Pferdebremsen.
Winzlingbeißer.
Nein, ohne mich ... keinen Meter würde ich weiter fahren. China, ich
komme wieder, wenn auf dem Weg zu dir nichts mehr sticht. Aber Winter
darf es auch nicht sein. Also: Ende Gelände ... und das wegen dem
kleinsten aller Übeln. Winzlinge, die beißen. Gulliver, gequält. Njet.
Njetnjet.
Aber Hermes und Mitfahrerin sagen "si si" und "ja ja" oder auf russisch
"da da".
Ich hätte "da da da" gesagt, etwas ganz anderes gemeint und Richtung
Heimat gezeigt.
Doch Hermes ist nicht ich ... und baut sein Zelt dort auf, wo Moskitos
und Co. fliegen. Aber so hart man auch im Nehmen, das Abendessen findet
heute "im" Zelt statt. Draußen wäre Selbstmord ... oder besser ...
draußen wären wir selbst Abendessen für die Mosikitos.
Im Zelt essen ... geht ja noch ... höre ich das gerade jemand von Euch
denken ??
Aus Hermes Notizen: "... es ist "überlebensnotwendig", beim abendlichen
Stop sich als Erstes mit Mückenmittel einzureiben, dann Regenkleidung anzuziehen, dann
das Zelt aufbauen und die Eingänge auch mit Mückenmittel versehen.
Unseren Blutzoll zahlen wir trotzdem".
Hätte mich jemand gefragt "du, was glaubst du, wo die größten
Schwierigkeiten sind, wenn man nach Peking radeln will", ich hätte
gesagt "dass man vom Rad fällt" ... aber nie im Leben hätte ich an eine
so perfide Insektenquälerei gedacht. Hermes, ich verneige mich, dass Du
das ausgehalten hast. Und das ist "nicht" ironisch gemeint.
Zelt zu.
Gute Nacht.
Schnarch.
Stech.
15. Juni 2005
Es ist Morgen und wir packen
unsere sieben bis fünfunddreißig Sachen und da fährt ein einzelner
Radwanderer an uns vorbei. "Den holen wir wieder ein" denken wir.
Richtig gedacht ... allerdings war das so, dass gegen Mittag dieser
Radwanderer "uns" überholt ... irgendwo muss der zwischenzeitlich
abgeblieben sein.
Wir kommen mit dem Herrn ins Gespräch, erfahren, dass er Slave ist, Sam
genannt werden will, selbständig ist und Taschen für Outdoorausrüstungen
und kommerzielle Fallschirmspringerausrüstung produziert.
Und auch mit dem Fahrrad unterwegs ist.
Von Moskau nach Wladiwostock.
Die Karte nochmal bitte:
Noch so ein Verrückter *gg*.
Ist ja klar, dass das ein ganz toller und interessanter Abend wird.
Gemeinsam am Fluß zelten und über Gott, die Welt, Russland, das Fahrrad
und die Insekten diskutieren.
Die gleiche Szene, von der anderen Flußseite gegen die Sonne
fotografiert:
Doch doch, sind auch hier zwei Zelte ... das eine steht unsichtbar
hinter dem anderen.
Es ist der Wahnsinn, dass es a) noch mehr solche Weltumradler gibt und
b) sich diese auch noch treffen. Ein Tag später oder früher und nix wäre
es gewesen mit der Begegnung.
Aber wissen wir's, wie viele Begegnungen bisher um einen Tag "nicht"
stattgefunden haben.
16. Juni 2005
Schreck am Morgen ... Hermes
stellt fest, dass sein rechtes Fahrradpedal locker ist. Also auseinander
nehmen und mal schauen was los ist. Und es ist ganz schön was los: das
Kugellager ist total zermahlen. Heidernei ... und wir können außer
kräftig einfetten gar nix tun. Das Fett selbst ... eine Leihgabe von
Sam. Wie gut, dass wir gerade ihn getroffen haben ... wir beschließen,
zu hoffen, dass wir Sam am Baikalsee ...
... wieder sehen.
Da bin ich mal selbst gespannt, ob das passieren wird. Denn ich lese nur
die Tage, die hier auch veröffentlicht werden, aber nicht weiter vor ...
um mir selbst die Spannung nicht zu nehmen.
Die Spannung auf das, was da kommt ... die Erlebnisse und auch die
schönen Aussichten am Straßenrand:
Die Kirche von Kamyschlow. Gleich nebendran dieses hier:
Hier war mal die alte Postkutschenstation. Ist übrigens eine Stadt von
knapp 30.000 Einwohnern.
Ab und zu muss man einkaufen und wir tun das in der nächsten Stadt, die
da "Werchnjaja Pyschma" heißt. Sind schon seltsam klingende Namen ...
zumindest für unsere Ohren ... aber wie mag für die Russen
"Kornwestheim" oder "Bernkastel-Kues" klingen ;)).
Pyschma hat auch eine Moschee, die aber von Hermes nicht fotografiert
wurde ... man kommt ja nicht überall vorbei und zusätzliche
Stadtrundreisen hätte den Zeitrahmen schon ein bißchen gesprengt. Ist
zwar schade, dass man viel Straße und viel Wiesen gesehen hat, aber in
Städten nur das, was am Weg lag, doch das ist eben der Unterschied
zwischen Rad und Muskelkraft bzw. Auto und Motor.
Ein Bild von der Moschee gibts trotzdem und zwar aus Wikipedia:
Fotograf:
Hardscarf
Gibt es Gott ?
Gibt es mehrere davon ?
Ist gerade der Christengott (weil Schwabe unterwegs) oder Allah (wegen
Moschee) zuständig ?
Egal ... irgendjemand da oben hatte gute Laune und ließ und einen
schönen Zeltplatz auf einer gemähten Wiese im Wind finden. Ein
herrlicher Platz, denn es gibt so gut wie keine Mücken :)).
17. Juni 2005
Der liebe Gott hat immer
noch gute Laune ... die Straße ist wunderbar ... wir haben Rückenwind.
Wir singen "danke für diesen guten Morgen, danke für diesen schönen
Tag".
Wir singen weiter "danke, daß ich all meine Sorgen auf Dich werfen mag"
und ahnen nicht, dass wir heute noch was zu werfen haben.
Aber erstmal Friede, Freude, Gottdabei ... wir fahren auf der
Schmetterlingstraße. Zumindest nennen wir sie so, weil wie Tausende
dieser schönen Wesen sehen dürfen. Hier ist einer davon:
Schön ... und es bleibt schön ... denn es bleibt schön ... wir kommen
auf die Erdbeerstraße. Auch wieder ein eigener Name, der dadurch
entstand, dass wir an vielen vielen Verkaufsständen vorbeikamen.
Verkauft werden ... nein, keine normale Erdbeeren, sondern
zuckersüßwundervolle Walderdbeeren.
Der liebe Gott ist mit uns.
Gewesen.
Denn es scheint ihn jemand anderes gerufen zu haben ... denn die süßen
Erdbeeren waren nun erstmal das letzte Zuckerschlecken an diesem Tag.
Denn es folgte nach zügigen 50 Kilometern bis eben eine Baustelle.
Aber nicht irgendeine, sondern eine, die 40 km lang ist !!!
Straßenverhältnisse, die grauenvoll anstrengend sind, so der Originalton
von Hermes.
Das alleine hätte ja schon gereicht ... aber wir erblicken, dass rechts
und links der Straße alles bis zu 10 Meter breit unter Wasser steht ...
die nahenden Sümpfe lassen grüßen. Da kommst du irgendwann in die
Tiefebene, hast keine Berge mehr zu erklimmern, findest aber Sümpfe, die
ein Moskito-Eldorado sind.
Hinter dem Wasser, was wir sehen, sind abgestorbene Birken und dahinter
Birkenwald ... schlimmer gehts nimmer, mückenmäßig gesehen. Darum:
weiter radeln, keine Pause vortäuschen. Keine Pause möglich.
Und ... der liebe Gott ist immer noch abwesend ... es wird noch schöner.
Denn bei diesen miesen Straßen müsste man eigentlich beide Hände am
Lenker lassen. Müsste ... geht aber nicht, denn eine Hand braucht man
immer, um die Mücken abzuwehren. Da wünscht sich der härteste Radfahrer,
dass ihm auf seinem Kopf spontan ein Kuhschwanz wächst.
Oder das der liebe Gott wieder Zeit hat.
Denn solange es so mückt und bremst, ist der Gedanke an einen Zeltplatz
pure Zeitverschwendung.
Wenigstens haben wir Rückenwind, der uns hilft, das Ganze irgendwie
durchzuhalten.
Bis ... wir am Abend ... nach weiteren 20 Kilometer (Tagesfahrstrecke:
über 100 km !!) dann doch noch einen geeigneten Zeltplatz finden ...
hallo lieber Gott, schön, dass Du wieder da bist.
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