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4. April 2011


Was mich immer wieder fasziniert,
ist die Vielfältigkeit der Dinge.
Sehr interessant, was die Natur alles kann.
Und ebenfalls interessant, was der Mensch im Laufe der Zeit
alles an Verwendungsmöglichkeiten herausgefunden hat.

Ach so ... halli hallo ... willkommen im
Biologie- und Geschichtsunterricht
:))

Ich bin Privatlehrer Engelbert
und wenn Ihr unten an der Kommentarfunktion angekommen seid
wisst Ihr mehr denn je zuvor.

Guckt mal da:


Foto: Rafaelji (Lizenz cc by sa 3.0)

Da ist ein Stein.
Um den gehts aber nicht.
Sondern um den Strauch.

Der nennt sich "Pistacia lentiscus",
auf deutsch sagt man "wilde Pistazie" dazu.
Aber er ist ganz zahm ... er steht so da rum und
wächst ganz harmonisch so vor sich hin.

Und er hat nichts mit der essbaren Pistazie zu tun.
Dieser Strauch hat andere Fähigkeiten.

Er kann blühen ...


Foto: KoS

... aber das ist auch nicht das, worauf ich hinaus will.

Auch nicht auf seine Beeren ...


Foto: Xemenendura (Lizenz cc by sa 3.0)


... und auch nicht das Laub, auch wenn durchaus mal
Äste des Strauchs für die Blumenbinderei verwendet werden.

Hier sieht man ein bißchen von der Besonderheit:


Foto: Júlio Reis (Lizenz cc by sa 3.0)

Es ist der Stamm des Strauches.

Der Strauch wird zwischen einem und drei Meter hoch,
ist immer grün und wächst im Mittelmeergebiet und auf den kanarischen Inseln.

Wenn es Juni ist, dann werden die Stämme der Sträucher angeritzt.
Ein Harz kommt zum Vorschein

Das wird dann zwischen August und Oktober geerntet,
von Fliegen und Rindenteilen gereinigt und kommt in den Handel.

"Die" Insel für diese Harzproduktion ist Chios.
Die Insel ist 10-20, im Norden auch 30 Kilometer breit und ca. 50 Kilometer lang.
Sie gehört zu Griechenland, liegt aber direkt vor der türkischen Küste.

Im Süden der Insel gibt es einen Bezirk, der Mastichochoria heißt.
Und das sagt uns alles.
Denn dieser Name wurde von dem Namen des Harzes abgeleitet.

Das Harz heißt Mastix und Pyrgi, Mestá und Olympia sind Mastixdörfer.


Foto: Lemmikkipuu (Lizenz cc by sa 3.0)

Ist ja jetzt nix ganz Ungewöhnliches,
dass man Harz ernten und verwenden kann.

Aber ganz faszinierend ist,
wie vielfältig man dieses Mastix nutzen kann.


Gucken wir doch mal in ein Lexikon aus dem Jahre 1793 rein ... da steht:

"Der Mastix, plur. car. ein hartes, dürres, sprödes und blaßgelbes Harz,
welches einen balsamischen Geschmack und angenehmen Geruch hat, aus dem Mastixbaume rinnet
und in durchsichtigen Körnern von der Insel Chios zu uns gebracht wird".


Ich werde hier mal alles, was das Mastix kann,
in blau schreiben ... und es wird ganz schön viel Blaues zu schreiben geben.


Im Lexikon von 1854 ... da steht etwas über die Verwendung:

Der Mastix wird sowohl innerlich als tonisch reizend und magenstärkendes Arzneimittel,
wie äußerlich zu Salben, Pflastern, und Zahn- u. Rauchpulver benutzt.
Im Orient bedient man sich seiner häufig zum Kauen.

Aha ... Salbe, Pflaster, Zahnpulver, Rauchpulver, Kaugummiharzi,
das sind schon 5 Verwendungsmöglichkeiten.

Ha ... und in diesem Lexikon steht sogar,
dass man das Holz des Strauches auch verwendet hat:

Das balsamisch riechende. gelbliche Mastixholz diente zur Verfertigung von Zahnstochern,
denen man eine die Zähne erhaltende Kraft zuschrieb.

Dieses Harz ist normalerweise nur erbsengroß (Kleinvieh macht hier auch Mist)
und wenn man es kaut, wird es weich.

Wenn mans auf glühende Kohlen wirft, dann gibt das
einen starken und angenehm riechenden Dampf,
deswegen verwendet man das getrocknete Harz auch als Räucherpulver.


1904 ... dort steht im Lexikon:

Im Orient dient es als Kaumittel und zur Bereitung eines alkoholischen Getränks (Raky, Mastiki).
Bei uns in der Pharmazie zu Pflastern, Kitten,
technisch als Zusatz zu Lacken, deren Sprödigkeit dadurch gemildert wird,
zu Firnis für Holzvergoldung, als Zusatz zu photographischem Negativlack und als
Decklack bei der Zinkätzung von Autotypien im Reproduktionsverfahren.

Das war das Lueger-Lexikon von 1904 ... nun das Meyers von 1905:

Ein Bäumchen liefert 4-5 kg.
Ähem ... bei Wikipedia steht: für 1 Kilo Harz muss man 10 Bäume ritzen.

Ist sich ein kleiner Widerspruch ;)).
Aber vielleicht meint Meyers ja die gesamte Ernte während der Lebenszeit eines Baumes.

Verwendung laut Meyer:

Er dient im Orient als Kaumittel (besonders den Frauen, um den Atem wohlriechend zu machen),
zu Konfitüren und zur Darstellung eines beliebten sehr reinen Likörs (Raki, Mastichi),
den man mit Wasser vermischt trinkt.

Chios war als Mastixinsel schon im Altertum berühmt.
Im 9. Jahrhundert galt Mastix in Westeuropa als Seltenheit, aber bald darauf
fand er sich in allen Arzneibüchern und wurde viel verwendet.

So ... und jetzt gucke ich mal, was Mastix heutzutage noch so kann:


- Klebstoff für Maskenbildner (künstliche Bärte, Warzen, etc.)
- Bestandteil des Geigenlackes (Geigenbau)
- Verwendung in Süßspeisen (z.B. griechisches Loukoumia, türkisches Lokum
- Mastix gibt als "Turkish Delight" (süße aromatisierte Gelee-Würfel)
- als Klebstoff für Glas und Porzellan
- als Aroma in Kosmetikprodukten
- als Fixativ in Parfüm-Basisnoten

Und gewürzt hat man mit Mastix auch schon, damals im Römsichen Reich.


Mich fasziniert nicht nur, wie vielseitig das Mastix ist,
sondern auch, wie und dass die Menschen herausgefunden haben,
was dieses Harz so alles kann.

Wie viel ist da getestet und probiert worden,
wie hat sich da lange Erfahrung mit vielen Menschen gemischt.

Was die Natur doch alles so kann.
Was der Mensch doch mit der Natur so alles anfangen kann.

Und ... ein interessanter Nebenaspekt ... ich habe vor einer Stunde
noch keine Ahnung gehabt, dass es Mastix überhaupt gibt.
Dann hab ichs per Zufall entdeckt und dachte:

Diese Entdeckung gebe ich doch mal weiter :)).



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