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8. Dezember 2015

Der Weihnachtsberg

Gerlinde hat mir, eigentlich im Rahmen der "schicke mir Weihnachtsfragen"-Aktion,
von einer Tradition erzählt ... bei ihnen hätte früher immer ein "Weihnachtsberg",
vom Vater gebaut, zu Weihnachten gehört.

Ich hab natürlich gefragt, was das ist und ob sie Bilder hat ... Ihre Antwort:

... über den Weihnachtsberg kann ich sehr wohl erzählen.
Viele Jahre stand der Weihnachtsberg in unserer Wohnküche,
denn Wohnraum war Mitte der 1950er Jahre noch knapp.

Wann genau Vater den ersten Berg gebaut hat, weiß ich nicht.
Ich ging jedenfalls noch nicht zur Schule, als der Berg gebaut wurde, von dem ich berichten will.
(Ich bin 1952 geboren – es wird wohl 1957 gewesen sein)

Der Berg stand in einer Ecke des Raumes auf einer Tischplatte – ich vermute, 1 m x 1,50 m.
Die Wand war mit dunkelblauem Packpapier verkleidet, aus dem kleine Sterne ausgestanzt waren.
Hinter diese war Silber- und Goldpapier geklebt, so dass die Sterne
in der abendlichen Beleuchtung glänzten und glitzerten.

Als Begrenzung/Hintergrund waren große Rindenstücke aufgebaut, die eine Bergwelt darstellten.
Mit Rindenstückchen, Steinen, Moos und getrockneten Baumpilzen war eine Landschaft modelliert,
die sich grob in drei Teile gliedern lässt:
Im Mittelpunkt war der Stall mit Maria, Josef und dem Jesuskind,
von einer Seite kamen die Weisen aus dem Morgenland,
an der anderen Seite knieten die Hirten.

In der rechten Ecke waren die Hirten mit ihren Herden auf der Weide.
Über ihnen schwebten kleine Engelchen und auf einem “Felsen” stand der Verkündigungsengel.

Ringsum in den “Bergen und Wäldern” waren einheimische Tiere "unterwegs" – Hasen, Rehe, Füchse,
es war stets spannend, herauszufinden, welche Tiere Vater untergebracht hatte.

Zwischen Krippe und Schafherden drehte sich eine Platte, auf der die Weisen "kamen und gingen".

In den Berg eingebaut – für den Betrachter unsichtbar – war eine große Spieldose.
Sie war so ausgelegt, dass man mittels eines besonderen Fußes den Christbaum draufstellen konnte, der sich dann drehte.

Auf diese Spindel hatte Vater die Scheibe für zwei Weise und ihr Kamel gebaut.
Er hat gern solche Dinge ausgetüftelt.
Manchmal hat er sogar eine zweite kleinere Drehscheibe dabei gehabt.
Aber ich weiß nicht mehr, ob die einen Extra-Antrieb hatte oder mittels Traktion lief.

Auf jeden Fall war links vorn die unterste Ebene - sie stellte eine Höhle dar, in der Zwerge fleißig arbeiteten.
Es glitzerte von Steinen und Silberpapierstückchen, die kunstvoll zu einer märchenhaften Höhle zusammengefügt waren.
Da drin drehte sich meistens die kleine Scheibe.
Der gesamte Berg verfügte über mehrere Schaltkreise (wie bei Puppenstuben oder Modelleisenbahnen),
so dass Vater beim Erzählen und Zeigen immer nur die jeweilige Szene beleuchtete.

Die Tiere und Menschen waren aus Papiermaché (heute bekannt als MAROLIN).

Der Berg stand bis etwa Ostern – VOR dem Heiligen Abend sahen wir den "leeren" Berg,
nur die Schafe waren da mit ihren Hirten und die fleißigen Zwerglein in und um die Höhle.

Am ERSTEN Feiertag in der Frühe lag das Christkind in der Krippe,
waren die Engel da und die Hirten mit ihren Geschenken.

Am ZWEITEN Feiertag "genehmigte" Vater die Weisen aus dem Morgenland - nicht ohne den Hinweis,
dass sie eigentlich erst zu Hohneujahr, also am 6.1., dazu kommen.

Das schönste war immer, wenn Vater und Mutter zustimmten, den Berg "freizugeben" – zwischen Epiphanias und Ostern
durften wir das herrliche Gelände für unsere Puppen und Holztiere benutzen.

Bis dann Vater sich Zeit nahm, alles weg zu räumen und Mutter einfach keine Lust mehr hatte,
jeden Tag die trockenen Moosreste in der Küche aufzusammeln.

In der Wohnküche wurde es irgendwann zu eng für die inzwischen fünfköpfige Familie,
so wurde Anfang der 60er Jahre der Berg reduziert.
Spieldose und damit Drehscheiben kamen raus.
Ein ausrangiertes Bügelbrett wurde umfunktioniert und stellte fortan den transportablen
und Schrank schonenden Untergrund dar.

Die Aufteilung ist im wesentlichen geblieben - vorn links die Zwerge und Tiere der Heimat,
in der Mitte die Krippenszene und im Hintergrund rechts die Hirten.

Von den Enkeln so geliebt, wie einst von uns, war die Spielzeit auf dem abgeräumten Berg.

1993 ist mein Vater gestorben - es hat sich niemand gefunden,
der diese Tradition in unserer Familie weiterführt.
Ich kann mich auch nicht erinnern, wo die Figuren abgeblieben sind.

Eine kleinere, ganz andere Version, hat mein Mann (auch aus dem Erzgebirge ) mitgebracht.
Der Berg ist für eine Ecke – ca. 70 x 70 cm – ausgelegt.
Er gleicht einem Bergdorf, an dem sich Häuser und Kirche an einen Hang schmiegen.
Die Gebäude sind beleuchtet und die ganze Landschaft ist verschneit (mittels Gipsstaub).

Dieser Berg kann "im ganzen" weggeräumt werden – nur die Figuren und Häuser werden verpackt.
Über den Rest kommt ein großes Tuch – und ab gehts auf den Boden.

Das ist ein Bild des Weihnachtsberges aus dem Jahr 1957



~**~

Das war das achte Türchen mit der Christbaumkugel, dem Adventszug zwischen Schweiz und Frankreich,
der Adventsnotiz, der Bastelpackung, dem 4-Generationen-Weihnachtsfest mit Ilse,
dem Interview mit Christa, der Info für neue Leser, den Engeln da oben irgendwo und Gerlindes Weihnachtsberg.



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