Die Seifenblase
Die Aufgabe ist wirklich nicht leicht. Male eine Seifenblase. Nur drei
Worte. Male eine Seifenblase.
Zur Verfügung stehen alle Farben, Wasser, ein Untergrund und Zeit für
ein ganzes Jahr. Am
Neujahrsmorgen beginnen hieße nichts Gutes, wegen der zittrigen Hand,
die noch vom Abend
vorher die gewohnte Ruhe vermissen lässt. Auch Pinsel und Schwämme sind
da, und ein Atelier,
das Licht genug für ein Jahr herein lässt. Ich stehe vor einem Problem.
Es beginnt am Ort. Wo bitte
befindet sich die Blase, was verschleiert sie, was lässt sie
durchschimmern? Gibt es Beispiele in der
Malerei, wo sich jemand versucht hat?
Aquarell oder Öl, Pinsel oder besser Schwamm? Wer weiß schon etwas über
das kurze Leben ihrer
Durchleucht? Ich kann sie nicht einfach in den leeren Raum stellen, oder
gerade doch? Sollte ich ihr
einen Teich zu Füßen legen, über dem sie soeben noch schwebt, oder den
Frühlingshimmel, in den
sie strebt? Und wenn ich sie blau in Szene setze, verschwimmt sie dann
nicht mit dem Himmel,
wird eins mit ihm, statt selbstbewusst und stolz?
Im Mai habe ich die Idee, sie über eine frischgrüne Wiese tanzen zu
lassen, im Sommer entschließe
ich mich für die frühen Morgenstunden, die ein Kind noch vor der Schule
nutzt, um ihr Leben
einzuhauchen. Sich dessen bewusst, sie nie wieder zu sehen, und kaum
Zeit zu haben, sie zu
verfolgen bis zu ihrem Ende ... Bei einem Gang über eine Kirmes reißen
sich zwei Helium gefüllte
Ballons los, und werden von ihren kleinen Besitzern zurück geschrien.
Das könnte ein Motiv sein,
denke ich, ein Motiv der Sinnlosigkeit, der Unhaltbarkeit, ein Motiv des
Lebens.
Und wie die Blase selbst, gibt es nicht etwas wie ein Innenleben, und
gleich kaum messbar daneben
eine äußere Haut, die nicht einmal in der Lage ist einige Sekunden zu
überstehen, wenn es schlecht
kommt? Ihre Herkunft werde ich verschweigen. Sie wird einfach da sein,
wie auch ich einfach in
die Welt gesetzt wurde. Wurde ich gefragt, ob ich bereit für so etwas
Großes wie das Leben bin?
Mit einem Atemzug, einem einzigen Atemzug, der wieder ausgeblasen wurde,
löste ich mich
schließlich. Gar nicht bunt, umso mehr zerbrechlich in der schwachen
Nachkriegssonne. Sollte ich
sie so malen wie ich mich sehe?
Dem Betrachter meines Kunstwerks müsste ich mich erklären. Und da fängt
das Künstliche an.
Versuche etwas zu erklären, was sich selbst erklären soll.
Ich entscheide mich im Herbst. Es wird ein vom Wind zerzaustes Bild,
Luftströmungen, die um das
Zerbrechliche herum nur den schwachen Raum geben, eizellenklein im
Zeugungsmoment. Nicht
spürend, nicht wissend, noch nicht ganz. Nur rund sich teilend, der
Umgebung sich mitteilend und
messbar etwas zu sein, das in diese Welt gehört, sie versucht zu
durchschweben ohne zu platzen,
was manchmal gewiss nicht leicht, aber nicht unmöglich ist.
(Burkhard Jysch)
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