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7. Juni 2018

Da vorne soll also das Land sein, in dem es so wunderschön ist.

Ich konnte es schon sehen. Dieses tiefgrüne Land am anderen Ende des Sees.
Ein See, in dessen Wasser sich das Blau des Himmels spiegelt.
Man muss fast ganz um ihn herum gehen, um das Land zu erreichen.
Ein Land, das die Mühe des Laufens allemal wert ist ... also: schnell weiter.
Doch ... was macht denn der da ?

Sitzt da ein alter Mann auf einem großen Stein.
Fast regungslos, als wäre er selbst ein Felsen.
Mit entspanntem Gesicht schaut er auf die Insel.

"Hallo, wie heißt du" frage ich ihn.
"Ist das denn wichtig ?" ist seine Antwort.

Komischer Kauz denke ich, sage aber "nein, so wichtig ist das auch nicht ... aber du, sag mal ... darf ich fragen, warum du hier sitzt ?".
"Ja, du darfst fragen ?" meint er mit diesem hintergründigen Lächeln, das mir irgendwie unheimlich ist.

Beinahe hätte ich "Scherzkeks" zu ihm gesagt, weil ich ja nicht fragen wollte, ob ich fragen darf, sondern das schon die Frage war ... aber nun gut ... "warum sitzt du hier ?".

"Ich schaue mir das Paradies an".
"Diese grüne Insel ?".
"Ja".
"Du weißt ?".
"Ja".

Ich fasse es nicht ... der Kerl weiß vom Paradies, sitzt aber seelenruhig da und guckt nur.

"Warum versuchst du nicht, das Land da drüben zu erreichen ?".
"Wer sagt denn, dass ich es nicht tun werde ?".
"Hmm ... niemand ... aber worauf wartest du ?".
"Ich warte nicht !".
"Sondern ?".

"Ich sitze einfach nur hier und freue mich, dass es dieses Paradies gibt. Ich freue mich auch, dass ich es erreichen könnte, wenn ich wollte ?".

"Und das genügt Dir ?" frage ich etwas ratlos und auch etwas verärgert, weil der Kerl mir irgendwie Zeit stiehlt.

"Das genügt mir nicht nur, das ist mehr, als mir das Paradies geben kann. Zu wissen, dass man etwas Schönes jederzeit haben kann, macht auf wundersame Weise ruhig und sanft. Ein Seelenfrieden der Vorfreude. Komm setzt dich neben mich und warte".

"Wie lange ?" frage ich ihn, immer noch etwas ungeduldig ?

"Frage nicht" ist seine Antwort "frage nie, wie lange, sondern genieße einfach den Augenblick. Minuten, in denen deine Seele lächelt, sind goldene Tauperlen im Morgenlicht. Frage nicht, wann sie verdunsten, schau einfach ihrem Glitzern zu. Irgendwann wirst du weiter gehen, doch vorher bist du glücklich gewesen".

(Engelbert S.)



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