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3. Januar 2019


Ein Gedankenwanderer
dichtet
wie kein anderer

belichtet
Buchstabenbegegnungen, die sich reimen
Gedankensprosse, die schnell keimen
wachsen, blühen und drauf liegt ne Katz
so ist Joachim, unser Ringelnatz


Er ist schon einer wie keiner, der Joachim
und seine Gedichte haben einen ganz eigenen Stil.
Ich hab mal 11 seiner Werke, die nicht so ganz bekannt sind, ausgesucht.



Verpufftes Gewitter

Hat mich ein Gewitter
Gestern so nervös gemacht.
Hat ein Magenbitter
Mich dann bös gemacht.
Sekt, den ich bestellte, weil
Ich froh werden wollte,
Wirkte nur ins Gegenteil.

Und der Donner grollte.
Daß ich herz- und magenkrank
Weiterbummelnd mich betrank.

Und ich weiß nur noch:
Eine Dame, die
Unterm Ärmel nach Lavendel roch,
Hat mich abgeküßt. — Ach und wie!

Und ich war vernarrt,
Weil sie so apart
Sagte, daß ich "herbstzeitlose" sei.
Diese Taschendiebin
Griff diskret und lieb in
Meine Tasche dabei.



Nun sieh mal an! Ei ei!

Nun sieh mal an! Ei ei!
Am Himmel stehn drei Sterne.
Vor kurzem standen da nur zwei.
Nun wüßt ich gar zu gerne
Was Näheres über die Ferne.
Denn etwas stimmt mir nicht dabei.



Melancholie

Von weit her Hundebellen
Klingt durch die nächtliche Ruh.
Es spülen die schwarzen Wellen
Mein Boot dem Ufer zu.

Die blauen Berge der Ferne
Winken am Himmelssaum.
Auf in den Lichtbann der Sterne
Trägt mich ein Traum.

Stumm ziehen wilde Schwäne
Über das Wasser hin.
Mir kommt eine müde Träne.
Ich weiß nicht, warum ich so bin.



Ein Liebesnacht-Wörtchen

Ja — — ja! — — ja!! — — ja!!! — —
Du hast so süße Höschen.
Nun sind wir allein. Und es ist Nacht.
Ach hätte ich dir doch ein Röschen
Mitgebracht.



Spielball

Spielball

Es weint ein Kind.
Ein Luftballon mit dünnem Zopf
und kleiner als des Kindes Kopf
entflieht im Wind.

Und reist und steigt verwegen.
Ein Nebel wallt.
Ein Fehlschuss knallt.
Dann fällt ein sanfter Regen.

Rundrote Riesenbeere
rollt müde und verschrumpft
in einem Wipfelmeere,
hat austriumpht.

Witziger Kräherich
bringt seinem Bräutchen
ein hohles Häutchen,
die aber ärgert sich.



Unter Wasser Bläschen machen

Kinder, ein Rätsel! Hört mich an!
Wer es herausbekommt, kriegt Geld! – Wie kann
Man unter Wasser Bläschen machen?
Das müßt ihr versuchen – unbedingt! –
In der Badewanne. Und wenn es gelingt,
Werdet ihr lachen.



Alter Mann spricht junges Mädchen an

Guten Tag! – Wie du dich bemühst,
Keine Antwort auszusprechen.
„Guten Tag“ in die Luft gegrüßt,
Ist das wohl ein Sittlichkeitsverbrechen?

Jage mich nicht fort.
Ich will dich nicht verjagen.
Nun werde ich jedes weitere Wort
Zu meinem Spazierstock sagen:

Sprich mich nicht an und sieh mich nicht,
Du Schlankes.
Ich hatte auch einmal ein so blankes,
Junges Gesicht.

Wie viele hatten,
Was du noch hast.
Schenke mir nur deinen Schatten
Für eine kurze Rast.

 
 
Geradewegs

Was in uns lebt, soll immer in uns leben,
Wenn's gut ist,
Was immer sich auch mag begeben
Und wie auch immer uns zumut ist.

Natürlich kommt's, daß wir zuweilen
Entgleisen.
Dann kann kein Eigensinn das heilen.

Doch schon mit einem versuchsweisen,
Reuigen Lächelchen
Flickst du
Das eingerissene Löchelchen
Wieder zu.



Bin wie ein Dieb durchs Fenster gestiegen.

Sah das Mädchen in seiner Jugendpracht
Nackt auf dem seidenen Bettchen liegen,
Wie ein Wunder aus einer Zaubernacht.

Und sie schlief von kindlichen Träumen belogen,
Die ein Lächeln auf ihre Lippen hauchten,
Während die Sonnenstrahlen in flimmernden Wogen
Spielend ihr Kraushaar in goldene Lava tauchten.

Mir aber pochte das Herz und als ich verwegen
Über die schneeigen Glieder mich leise gebückt,
Hat eine Rose verwelkt am Boden gelegen,
Eine Knospe, die sie im Garten gepflückt.

Sah die welke Knospe am Boden liegen,
Sah im Bettchen das süße, schlummernde Wesen. –
Leise bin ich durchs Fenster zurückgestiegen.
Und mir war, als hätt ich ein Märchen gelesen.



Schweigende Fahrgäste

Die Fremden, mit denen ich fahre,
Gezwungen einander gesellt —:
Aus jedem Augenpaare
Träumt eine andere Welt.

Doch wie ich mich allen verbinde
In schweigender Rätselei,
Irr ich vielleicht. Doch ich finde:
Man wird versöhnend dabei.



Die sonnige Kinderstraße

Meine frühe Kindheit hat
Auf sonniger Straße getollt;
Hat nur ein Steinchen, ein Blatt
Zum Glücklichsein gewollt.

Jahre verschwelgten. Ich suche matt
Jene sonnige Straße heut
Wieder zu lernen, wie man am Blatt,
Wie man am Steinchen sich freut.
 



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