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19. August 2023


Hochsommernacht

Im Hochsommer, wenn des nachts die Fenster geöffnet waren
wie auch die Türen, lag ich auf dem Bett statt unter der Decke.

Es waren jene schwülwarmen Nächte, in denen hungrige Mücken
auf solche Gelegenheiten warteten, um auf Beutejagd zu gehen.

Unterwegs die Nachtschwärmer wie Igel oder Eulen,
deren Schatten das einzige war, das bei Vollmond übers Gras strich.
Nicht weit war der große Teich an dessen Rändern sich Unken bemerkbar machten
mit ihren "Klipp Klipp Rufen" auf der Suche nach einem Partner.

Ich empfand sie nur so lange als störend, wie ich noch auf dieser Welt war,
der realen Welt, und kurz davor in die bunte, wild bewegte Traumwelt zu geraten.
Eine in der Grenzen übersprungen wurden als wären keine da,
in der von Hügeln gesprungen werden konnte, die gestern noch unbekannt waren.

Manchmal erwachte ich schweiß gebadet und wusste nicht,
ob es am Traum lag, oder am nahenden Gewitter,
das sich grollend hinter den Weserbergen auftürmte, und sich daran machte,
mit dem rauschenden Regen das trocken erstarrte Land in ein fließendes zu verwandeln.

Noch war es nicht soweit, denn zuvor war es gespenstisch still.
Nur das Heu, das zu Ballen zum Schutz vor Regen aufgetürmt war,
ließ die Luft zu einem besonderen Etwas werden.
Etwa das kleiner Seelchen aus Kleeblüte und Brennnessel,
aus denen zahlloser unterschiedlicher Gräser, die dem Schnitt zum Opfer gefallen waren,
und jetzt als dunkle Buckel da lagen, in denen es sich Mäuse gemütlich machten.

Nach dem ersten kräftigen Windzug, der die lange Gardine über mein Bett wehte,
schloss meist unsere Mutter die Fenster, wobei ich natürlich aufwachte,
und irgend etwas Beruhigendes von ihr hörte.

Für einen Moment war ich wieder in der anderen Welt,
der realen angekommen, nur um sie bald danach wieder zu verlassen.
Ohne Anschluss an einen Traum, der soeben noch präsent war,
und ich gern gewusst hätte, wie das Abenteuer ausgehen würde,
auf das ich mich zuvor eingelassen hatte.

Wo waren alle hin, die mir beistanden oder mich jagten?
Waren auch sie verscheucht worden durchs Gewitter,
und versteckten sich irgendwo, um bald wieder aufzutauchen?

Im Bewusstsein musste ich feststellen, dass jene im Traum,
gleich jenen in der realen Welt, so sehr ich sie mir auch herbei wünschte,
nie gelebt hatten oder nicht mehr lebten.

Manchmal im Schlaf kam mir doch noch jemand sehr lebendig entgegen,
um mich zu umarmen, sprach und verschwand.

Es gab eine Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit, etwas zwischen Tag und Nacht,
ein unbegehbarer Raum für beide Seiten des Seins.

Wenn jene Sommernacht zu einem Morgen wurde,
dampfte die Wiese und stieß kleine Nebel hervor,
durch die ich mit meinen kurzen Beinen hindurch lief.
Noch barfuß um die Heuballen herum, die eine kleine Ausgabe der großen Berge waren,
die sich am Horizont in einer stumpfen Farbe von altem Blech präsentierten,
das noch weit entfernt war vom hellen Grün sonnenverwöhnter Ferne.

[ Burkhard Jysch ]



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