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5. Februar 2024


Wir drehen heute die Zeit
um 350 Jahre zurück ... wir sind im Schloss Versailles
zur Zeit des Sonnenkönigs Ludwig der Vierzehnte.

Ein kleines Zitat:

"Ihm zu dienen bedeutete, Frankreich zu dienen.
Ihm beim Aufstehen, beim allmorgendlichen feierlichen Lever behilflich zu sein,
ihm beim Anziehen das Hemd oder bei Tisch das Wasser zu reichen,
galt als allergrößte Ehre, die über Aufstieg und Fall bei Hofe entscheiden konnte.

Ob man in Gegenwart des Königs stehen, sitzen oder sprechen durfte,
wann man den Hut auf- oder absetzen konnte, durch welche Türe man welchen Raum betrat,
wem der König ein Lächeln oder ein freundliches Wort zuwarf und wem nicht,
war ein für alle Anwesenden sichtbares Zeichen des eigenen Ranges.

Ludwig XIV. beherrschte dieses Spiel meisterhaft,
so wie ein Dirigent mit kleinsten Gesten und Fingerbewegungen sein Orchester leitet.
"


Wir schauen uns mal dieses morgendliche "Lever" genau an.


Vorher in der Nacht

Der erste Kammerdiener verbringt die Nacht
am Fuß des königlichen Paradebettes auf einer Pritsche
und ist mit einem ans Handgelenk gebundenen Faden
mit dem König verbunden, so dass dieser jederzeit
daran ziehen und so den Diener rufen kann.

Der König und die Königin schlafen übrigens getrennt.
Und es gibt auch jeweils eigene Rituale ... wir sind heute beim König.


8 Uhr

- Der Kammerdiener nähert sich dem schlafenden Monarchen und flüstert: "Sire voilà l’heure"
Das bedeutet "Sire, die Stunde ist gekommen".

- Die Leibärzte kommen, untersuchen den König und reden mit ihm.

- Der Kammerdiener öffnet den Bettvorhang, sechs Kammerjungen folgen ihm.


8.15 Uhr

- Es beginnt mit dem "Entrée familière" ... es treten ein:
die Prinzen von Geblüt aus dem engsten Familienkreis (aber nicht die Cousins).

- Es folgen: "grandes entrées" ... einige Großwürdenträger der Krone:
"grand chambellan", "grand-maître de la garde-robe", "premier valet de garde-robe"
und einige Herren, denen der König eine besondere Ehre erweisen will.

- Es kommen dazu: drei Kammerherren und drei Kammerdiener

- Es sind im Raum: mindestens 22 Personen.

- Der erste Kammerdiener besprengt die Hände des Königs mit einigen Tropfen Wein.

- Der Großkammerherr reicht eine Weihwasserschale, der König bekreuzigt sich.

- Die Anwesenden begeben sich, begleitet von einem Almosenier, in das angrenzende Ratszimmer,
wo eine Viertelstunde lang eine Andacht gehalten wird, welcher der König vom Bett aus beiwohnt.

- Es treten ein: der Barbier und der Perückenmeister.

- Der König wählt eine Allongeperücke aus, steigt aus dem Bett, legt seinen Morgenrock an,
setzt sich auf einen Sessel und lässt sich die Nachtmütze abnehmen.

- Der Barbier frisiert ihn, rasiert wird nur alle zwei Tage.


8.30 Uhr

- Es folgt das "Petite entrée" ... es treten ein: der Leibarzt, der Leibchirurg,
der Intendant und der Kontrolleur der Silberkammer,
 der Erste Valet der Garderobe und die Titularbeamten des "brevet d’affaires".

- Der König erhält seine Morgenperücke aufgesetzt, die nicht ganz so hoch ist wie die Tagesperücke.

- Es folgt das "Entrée de la chambre" ... es kommen:
der Großalmosenier von Frankreich, eskortiert von den Almoseniers des Trimesterdienstes,
die Minister, die Staatsräte, die Marschälle von Frankreich, der Großjägermeister von Frankreich,
der Grand louvetier (Großwolfsjägermeister), der Großzeremonienmeister

- Der König lässt sich den Morgenrock ausziehen,
der Meister und der Erste Diener der Garderobe ziehen ihm sein Nachthemd aus,
der eine mit der rechten, der andere mit der linken Hand.

- Der König steht nun nackt im Raum

- Der König bekommt nun ein frisches Hemd angezogen, welches
ein königlicher Prinz oder der Großkammerherr von Frankreich ihm reicht,
es folgen die Seidenstrümpfe.

- Der König steht auf ... nun werden ihm die Schuhe angezogen,
ein Degen wird ihm umgürtet, der Großmeister der Garderobe zieht ihm die Weste,
den Justaucorps und die Krawatte an.

- Es treten ein: die "gens de qualité", deren Namen aufgerufen werden.

- Es befinden sich im Raum: mindestens 50 Personen


9 Uhr

- Der König trinkt zwei Tassen Bouillon.
- Man reicht ihm drei Taschentücher, von denen er zwei einsteckt.
- Er kniet auf einem Betstuhl nieder und betet.
- Dann wechselt er die Perücke und betritt sein Arbeitszimmer.


9.30 Uhr

- halbstündige Besprechung mit den Ministern


10 Uhr

- Heilige Messe in der Schlosskapelle


Danach

kommt es auf den Wochentag an:

- Audienzen
- der Staatsrat tritt zusammen
- Freitags wird die Beichte abgelegt
- Samstags tagt der Finanzrat
- Sonntags werden die wichtigsten Staatsangelegenheiten erörtert


13 Uhr

Es gibt nun das "Dîner au Petit Couvert", der König ist und isst nun
alleine mit seiner Königin ... und dem "Monsieur".
Dieser "Monsieur" ist der offizielle Titel des Bruders von König Ludwig XIV,
der auch mit am Tisch sitzt.

Aber sonst sitzt niemand am Tisch.

Doch es stehen daneben: ausgewählte Würdenträger, die den Dreien beim Essen zuschauen.

~~**~~

Der Tag ließe sich jetzt noch vervollständigen,
aber das soll für heute reichen ;).

Dieses Lever ... dieses Anziehen vor vielen Leuten,
diese ganzen Rituale fanden damals jeden Tag statt.
Tag für Tag zur gleichen Zeit.

Das war heute eine kleine Reise in die Zeit Ludwig des Vierzehnten.
 



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