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7. Februar 2024


Burkhard Jysch schreibt spontane kleine Geschichten,
in denen vorgegebene Zufallswörter drin vorkommen sollen.


Trainer Pfeil Müll

Fast täglich auf dem Weg zur Arbeit fuhr er an einer Stelle vorbei.
Er wusste was rechts und links des Weges stand.
Da war der Wald, hinter dem gleich die Radarfalle jene ins rote Licht rückte,
die es eilig hatten zur Arbeit zu kommen, die Wiesen,
von denen immer mehr zu Bauland wurden, und auch an der Stelle,
wo der Müll sich zu einem riesigen Haufen Unverwertbarem angehäuft hatte.
Eingezäunt, so als ob man etwas einzäunen muss, das gefährlich ist und ausbrechen könnte.

Manchmal kam er, der nach Feierabend als Trainer
einer Gemeinschaft des Bogenschützenvereins e.V. tätig war, auf komische Gedanken.

Er legte den Pfeil gekonnt in das Gerät und spannte die Sehne bis zur Schmerzgrenze,
bevor er ihn aufs Ziel in Freiheit ließ.
Manchmal war es nicht die Strohscheibe, mit dem schwarz roten Punkt in der Mitte.

Manchmal dachte er daran, damit eine der Flaschen zu treffen,
die des abends in Reichweite standen, um sie zu leeren.

Einmal musste es ihm doch gelingen von der Sucht los zu kommen,
die den Alltag vergessen ließ.
Er sollte einen Zaun bauen wie den um den Müllberg.
Einen, der hoch genug war, nicht nur am Tag.


Version Filzstift Angst

Von den Schriftstücken die im internationalen Format
wie ein kleines Buch auf dem penibel gereinigten Tisch
aus glänzendem Holz vor der Versammlung lagen,
die sich um ihn scharte, konnte man wenig sehen.

Es standen Stühle davor, und die Reihen fein gekleideter Herren
unterschiedlicher Herkunft vor zugewiesenen Plätzen.
Alles war dekoriert mit Kristallgläsern.
Selbst den üppigen Blumenstrauß aus Frühlingsbunt
in der Mitte hatte man mit einem Fluter von der Decke des Saals in Szene gesetzt.

Das Gemurmel des Hummelhaufens wurde leise und leiser,
und schließlich, als die hohen Herrschaften endlich
vor der großen Horde Reportern Platz genommen hatten, erstarb es ganz.

Vor ihnen lag die letzte Version eines Friedensvertrages.
Eine, auf die man sich nach Jahren einigen konnte,
weil allen Beteiligten endlich klar wurde,
dass die Angst nicht anders zu besiegen war.

Mit dem schweren vergoldeten Filzstift, der auf feuchte Hände wartete,
mit dem die Namen derer stehen sollten, die einmal in die Geschichtsbücher eingehen würden.

Die Glocken einer nahen Kirche waren nicht zu hören wie die Stimmen derer,
die diesen Moment nicht mehr erleben konnten.
Sie gingen unter im Geräusch der Kameras.
Und plötzlich war Friede.


Woche Einigkeit See

Ja, es gab zwischen ihnen Differenzen.
Darüber, wie eine Spülmaschine ordentlich einzuräumen war,
darüber was wo in den Kühlschrank gehört, und letztlich sogar darüber,
wo man am besten die schönste Zeit im Jahr, den Urlaub verbringen sollte.

War sie von der Grenzenlosigkeit eines Horizonts auf See überzeugt,
wollte sich darin wiederfinden, wo doch nichts zu finden schien,
so liebte er es die Holzfensterläden einer Almhütte am Morgen zu öffnen,
wobei ihm im Glücksfall eine braune Kuh zuschaute.

Nach Durchblättern zahlreicher Prospekte, der Angebote sowie im www
herrschte schließlich Einigkeit über das diesjährige Ziel.
Schließlich gab es beides gleichzeitig.
Vom bergigen Hinterland fiel ein Platz an einer Steilküste ins Auge, der direkt ans Meer führte.
Genau richtig für eine Woche, in der über alles gesprochen werden konnte,
nur nicht über das Einräumen von Spülmaschinen oder über Kühlschränke.

Als sie die Wohnung wieder betraten, öffneten sie die noch gefüllte,
aber immerhin gespülte Maschine, und lachten über sich
und über die Nebensächlichkeiten dieser Welt.

 



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