Der Hafen von Belgrad, naja, Sozialismus lässt grüßen.
Ziemlich heruntergekommen.
Aber nicht wirklich schmutzig, eher vernachlässigt.

Heute haben wir eine Stadtrundfahrt gebucht.
Denn erstens können wir die Straßenschilder nicht lesen.
Und zweitens haben wir keine Lust, Geld umzutauschen.
Es sind wenig Leute, die mitfahren, die meisten sind ja noch unterwegs.
So können wir Plätze ziemlich weit vorne im Bus einnehmen.

Zuerst fahren wir wieder einmal durch Diplomatenviertel.
Warum das so ist, keine Ahnung.
Vielleicht weil die Reiseführer, die immer Einheimische sind,
uns auch ein bisschen beeindrucken wollen.
Man sieht aber sowieso nix als hohe Mauern und große Bäume.

Das erste Ziel ist eine große Überraschung.
Wir besuchen die orthodoxe Kirche des Hl. Save (siehe oben).
Es ist ein mächtiger Bau, mit in der Sonne glänzenden goldenen Verzierungen auf den Kuppeldächern.
Schon alleine der Vorplatz ist gigantisch.
Sauber, gepflegt, die Rasenflächen grün, Bäume säumen
eine gepflasterte Allee zur Nationalbibliothek, die genau gegenüber steht.

Der Kirchenbau ist komplett aus privaten Spenden finanziert
und aus dem Grund seit 40 Jahren in Bau.
Ob sie mittlerweile fertig ist, kann ich nicht sagen.
Vor 7 Jahren war innen noch überall Baustelle.

Wir bekommen Verhaltensregeln, die sich aber von selbst verstehen,
denn sie sind nicht anders als wenn ich in eine katholische oder evangelische Kirche gehe.

Und dann eröffnet sich uns ein riesiges Kirchengewölbe.
Mit mächtigen Säulen, großen Wandgemälden, einer wunderschönen Kuppel.
Dunkles Holz umrahmt die schönen Ikonen in der Ikonostase,
der Ikonenwand in einem Seitenflügel des Kirchenbaus.

Im Hauptschiff türmen sich Gerüstteile, viele Säulen sind zum Schutz vor Staub eingehüllt.
Und trotzdem kann man erahnen, was hier entstehen wird.
Wir erfahren, dass ein orthodoxer Gottesdienst bis zu vier Stunden dauert.
Und aus Ehrfurcht wird der ganze Gottesdienst im Stehen begangen.
Nur ganz alte, gebrechliche Menschen dürfen sich setzen.
Und für die gibt es auch ein paar Hocker.
Ansonsten wird die große Halle leer bleiben für die Gläubigen.
Wir sind tief beeindruckt.

Dann geht die Fahrt weiter.
Durch die Altstadt, vorbei am damaligen Verteidigungsministerium,
das noch die Bombeneinschläge des Balkankrieges zeigt als Mahnung und Vorwurf,
wie uns unsere Fremdenführerin erklärt.
Es ist ein beklemmendes Gefühl, das mich angesichts der Löcher in den Mauern
und der zerbrochenen Fenster beschleicht.

Wir fahren weiter, über eine neu erbaute Hängebrücke in den modernen Stadtteil von Belgrad.
Hier stehen auch die zwei großen Fußballstadien von Partizan und Roter Stern.

Die Straßen sind breit, vierspurig, mit Bäumen und Grünstreifen gesäumt.
Rechts und links der Straße Wohnhochhäuser, sehr modern, aber auch sehr steril.
Viele Menschen wohnen hier, auf engem Raum, aber wir erfahren,
dass hier in den letzten Jahren auch sehr viel für die Infrastruktur getan wurde.

Es gibt große Arbeitgeber wie Knauf und Samsung, entsprechend viele Familien.
Und für die wurden neue Schulen, Freizeitanlagen, Parks gebaut.
Also eine ziemlich zweigeteilte Stadt.



Die alte Savebrücke bringt uns wieder in die Altstadt, mit tiefhängenden Stromkabeln,
engen Straßen und verfallenden Häusern.
Unser nächster Stopp ist die Fußgängerzone.



Und nachdem wir ja unsere Kaffeezeit auch "bezahlt" haben, sind wir in einem
alten Hotel eingeladen auf ein Getränk und süßes Blätterteiggebäck.
In der Zwischenzeit erzählt uns die Reiseleitung, dass das Hotel Majestic,
in dem wir uns befinden, im Sozialismus eines der ersten Häuser war.



 Hier haben die mächtigen Herren aus dem Ostblock gewohnt,
ihre Mätressen ausgeführt ... und wohl auch mehr ... und rauschende Bälle gefeiert.

Unser letztes Ziel ist die Festung Kalemegdan.



Sie thront über dem Zusammenfluss ...



... von Save und Donau
und ist schon von weitem sichtbar als großer terrassierter Bau.
 Hinter und zwischen den mächtigen steinernen Burgmauern hat das Militärmuseum eine Heimat gefunden.

Wir wandern an Kriegsgerät aus verschiedenen Zeitepochen vorbei
und durch einen mächtigen Torbogen gelangen wir ins Innerste der Festungsanlage.
Die Brüstungsmauern geben einen fantastischen Blick auf Save und Donau.
Die Sonne steht schon tief und taucht die Landschaft in ein sanftes Abendlicht.

Wir lassen den Blick schweifen, haben ein paar Minuten Zeit, uns umzusehen.
Viele Familien sind um diese Zeit hier, genießen den Feierabend.
Kinder spielen auf den Rasenflächen.
Jugendliche hören Musik, blödeln rum, spielen Fußball.
Wie überall auf der Welt.
Vor der Anlage wartet jedoch schon wieder unser Bus, der uns zum Schiff zurückbringt.

Es war ein überraschender Ausflug, der uns viele abwechslungsreiche Momente beschert hat.
Überfrachtet mit Eindrücken bereiten wir uns in der Kabine
mit einer erfrischenden Dusche und kurz Beine hochlegen auf unser serbisches Menü vor.
Und freuen uns, mit den Tischnachbarn die Eindrücke des Tages auszutauschen.

Um 20.30 Uhr kommen die serbischen Behörden an Bord und gegen 22 Uhr legen wir ab.
Mit einem Cocktail in der Hand an der Reling Abschied nehmen von einer Stadt,
die uns so viel Überraschendes gebracht hat, das ist Urlaub.