Es ist ein Tag der langen Strecken.

Die ganze Nacht ist die Rousse Prestige durchgefahren. Heute Vormittag erreichen wir die Giurgu, das ist auf der rumänischen Seite der Donau. Genau gegenüber liegt die Stadt Rousse, die Heimat der meisten dienstbaren Geister auf dem Schiff. Und wir sehen Tränen in den Augen unseres Kellners Krassim, als er aus dem Fenster schaut und weiß, seine Familie wohnt dort drüben und er ist hier, für noch viele viele Tage. Er hat uns das vor ein paar Tagen erzählt, dass es ihm jedesmal friert, wenn wir in Giurgu anlegen.

An dem Morgen hat er Tränen in den Augen. Er wird zum zweiten Mal Papa und er wird auch diesmal nicht dabei sein.

Beim Anlegemanöver ist es das allererste mal auf dieser Reise, dass wir in zweiter Reihe parken. Ein anderes Kreuzfahrtschiff hat schon angelegt, und wir legen jetzt an diesem Schiff an. Es ist mal wieder was Neues, und viele stehen auf dem Sonnendeck an der Reling, um das Manöver zu beobachten.

Heute wird ein Tagesausflug angeboten, mit dem Bus nach Bukarest zu fahren. Lange haben wir uns überlegt, den Ausflug zu buchen. 3 Stunden im Bus sitzen, dann eine Stadtrundfahrt, anschließend landestypisches Mittagessen mit Folklorevorführung. Und danach noch einmal 2 Stunden im Bus sitzen, um unser Schiff wieder zu erreichen. Nein, wir haben uns gegen den Ausflug entschieden. Ja, auch der Preis war eine Entscheidung.

Und dann mit etwa 100 Menschen vom Schiff, in zwei Bussen, durch Steppe zu fahren, nur um die Paläste der Superbonzen zu besichtigen, von aussen, wohlgemerkt, was man im Fernsehen früher oft genug sah ... nein, lieber noch einen Tag auf einem fast leeren Schiff. Bei herrlichem Sonnenschein. Durch eine traumhaft entspannende Landschaft. Ohne Stühlerücken. Mit Sonderservice an Bord und im Restaurant. Zu was haben wir Urlaub.

Wir legen ab, als der übliche Massenandrang endlich vorbei ist, den wir amüsiert vom Sonnendeck aus beobachten.

Die Landschaft ist für manche langweilig, für uns ist es Balsam. Natur, soweit man sehen kann. Blaue Donau, flache Strände, Ruhe. Und wir bekommen sogar einen Platz direkt am Bug des Schiffes.



Und fühlen uns fast wie Jack und Rose auf der Titanic ... ohne Eisberg, dazu ist es viel zu warm.

Die Donau trägt uns leise plätschernd durch eine Stille, die fast unwirklich erscheint. Kein Schiff vor uns, hinter uns, nicht mal ein Schleppverband. Wir sehen Sandbänke, auf denen Vögel sitzen. Immer wieder zweigen Altwasserarme des Flusse ab, kommen nach ein paar Kilometern wieder zum Vorschein.

Es ist wie eine verlorene Zeit, die Stunden, die wir fast alleine auf dem Schiff sind. Und es ist still. Keiner spricht, der Steward kommt diskret, stellt ungefragt frische Getränke ab. Inzwischen weiß er, was wir mögen. Ich merke, dass meine Augen schwer werden und gönne mir ein Nickerchen. Es ist so schön, so ruhig, so könnte es immer sein.



Um 16 Uhr sind wir in Oltenita, dem geplanten Rendezvouspunkt, an dem unsere Busausflügler eigentlich wieder einsteigen sollten. Doch der Bus ist noch nicht da, kommt auch nicht nach einer halben Stunde.

Wir bekommen mit, dass der Kapitän versucht, einen der Busfahrer zu erreichen, aber das Mobilfunknetz ist zu dieser Zeit noch nicht das Beste. Mit einer Stunde Verspätung erfahren wir, dass ein Bus eine Panne hatte, und die beiden Busse nicht vor 18 Uhr in Oltenita eintreffen werden.

Was willst machen?
Wir hören den Kapitän schimpfen, er ist Holländer, wir verstehen nicht wirklich was er sagt, aber wir ahnen, es ist nichts Freundliches.

Um kurz vor 18 Uhr kommt der erste Bus, die Ausflügler sehen ziemlich mitgenommen aus. Kurz darauf kommt auch der zweite, in dem unsere Tischnachbarn sitzen. Wir winken nur kurz, wohlwissend, dass wir spätestens nach dem Abendessen genaue Berichte hören.

Doch zuerst gibt es, mit Verspätung, Abendmenue um 19.30 Uhr, bulgarisches Essen, bulgarischen Wein und Schnaps. Es war wie immer gut und reichlich. Doch bevor das Käse- und Obstbüffet eröffnet wird, wendet sich die Reiseleitung an uns.

Die Donau hat extremes Niedrigwasser. Im Augenblick haben wir eine Wassertiefe von 160 cm, unser Schiff hat 150cm Tiefgang. Mit Bedauern muss der Kapitän uns mitteilen, dass wir das ukrainische Donaudelta nicht erreichen werden. Das bedeutet, keine Einfahrt ins schwarze Meer, keinen Flusskilometer.

Die Enttäuschung ist greifbar im Restaurant.
Der Höhepunkt der Reise – nicht erreichbar.

Wir bekommen die Information, dass wir im Schleichgang die Nacht durchfahren werden, um nach Tulcea zu gelangen. So platzt bei Flusskilometer 430 ein Traum.

Der Abend ist sehr ruhig in der Panoramabar. Viele Gäste müssen die Enttäuschung erstmal überschlafen.
Wir sitzen mit unseren Tischnachbarn wie fast jeden Abend beim Tagescocktail zusammen, sie erzählen vom Tag, von Bukarest, von der Folkloreveranstaltung. Und wir beide wissen, wir haben nix versäumt, weil wir den Tag auf dem Schiff, auf der Donau, mit Ruhe genossen haben.


(Lieserl und ihr Mann)