Es war eine unruhige Nacht. Zum ersten überwiegt natürlich die
Enttäuschung. Und dann ist es auch ein bissl Besorgnis ... erreichen wir
unser nächstes Ziel, ohne auf Grund zu laufen.
Das Vertrauen in Kapitän und Mannschaft ist natürlich schon da. Der
Kapitän ist mit der Donau sehr vertraut, er hat uns versichert, selbst
wenn wir nicht mehr weiterkommen, nicht passieren wird, dass wir auf
Grund laufen. Sondern er wird dann an geeigneter Stelle umdrehen und
dann geht die Reise eben zurück.
Irgendwann schläft man dann ein, doch der Sonnenaufgang weckt mich schon
wieder aus leichtem Schlaf. Schön, dass wir unser Fenster öffnen können.
So lass ich mir ein wenig Morgenluft um die Nase wehen und erlebe eine
bezaubernde Morgenstimmung.
Die Vogerl wecken das Schiff um halb 7. Um 7 Uhr gibt’s Frühstück und
als wir gesättigt aufs Sonnendeck steigen, ist unser nächstes Ziel in
Sicht. Wir erreichen Tulcea, eine bedeutende Hafenstadt in Rumänien.
Zugleich Basis der rumänischen Flussmarine und eine wichtige
Industriestadt mit Werften und Textilindustrie. Es gibt ausserdem noch
einen kleinen Regionalflughafen.
Erwähnt wurde Tulcea im 3. Jahrhundert vor Christus, gegründet wurde sie
im 8. Jahrhundert vor Christus und ist seit dem Altertum eine bedeutende
Hafenstadt.
Zitat aus unserer Bordinformation: "Die Stadt Tulcea wird auch als Tor
zum Donaudelta bezeichnet. Gegründet wurde die Stadt im 6. Jahrhundert
vor Chr. von griechischen Kolonisten aus Milet. Die Römer lösen die
Griechen im 10. Jahrhundert nach Chr. ab und die Genueser unterhielten
hier eine Handlungsniederlassung. Ab 1416 nahmen die Osmanen die Stadt
ein. Unter ihrer Herrschaft erhielt die Stadt den Namen Hora-Tepe,
später Tulcea. Der Aufstieg der Stadt begann jedoch erst nach 1862, als
die Rumänen ihre Unabhängigkeit erlangten".
Wir erreichen die Anlegestelle ausserhalb der Stadt MILA 35, die
zugleich ein Hotel für Deltaurlauber ist, die dort zum Fischen unterwegs
sind.
Dort erwarten uns zwei Ausflugsboote, die uns in ein paar Seitenarme des
Donaudeltas fahren, um wenigstens einen kleinen Eindruck der Landschaft
zu bekommen. Wir fahren durch enge Kanäle und sehen deutlich an den
breiten Kiesstreifen am Ufer, wo eigentlich Wasser sein sollte.
Die Reiseleitung auf den Elektrobooten bittet uns, möglichst leise zu
sein und glücklicherweise halten sich die Passagiere auch an die Bitte.
Einzig der Bordfunk stört quäkend immer wieder die Ruhe, aber das muss
wohl so sein.
Viele Fischer sind mit ihren kleinen Booten am Ufer, grüßen freundlich,
für sie ist es sicher schön, dass nicht so viele Ausflügler wie in
normalen Jahren hier sind. Wir sehen Tümpel ...
... in denen das Wasser nur
noch zu ahnen ist, normalerweise sind das große Seen. Brutstätten für
Pelikane und Kormorane. Viele Schwärme von Graugänsen lassen sich auf
den Bäumen nieder und wir können sogar einen beobachten. Doch die
einzigen Wasservögel, die wir von Nahem sehen, sind Schwäne.
Klar, die Enttäuschung bleibt. Aber es war ein lohnender Ausflug, denn
mit ein bisschen Fantasie kann man sich ausmalen, wie es in guten Jahren
aussehen würde. Allerdings wären wir dann nicht die einzigen
Ausflugsboote.
Noch ein bisschen Geografie über das Donaudelta und der drei Hauptarme:
"Der Kilija-Arm mit 104 km Länge der wasserreichste Arm, Grenze zwischen
Moldavien und der Ukraine. Hier wurden Ausgrabungen der ersten
Ansiedlungen gefunden.
Der Sulina-Arm, mit 64km der kleinste Arm, aber dennoch der Hauptarm, da
er zum Kanal ausgebaut wurde und für die Einfahrt von Frachtschiffen aus
dem Schwarzen Meer gedacht ist. An ihm wird auch die genaue Länge der
Donau bestimmt und die Kilometrierung.
Der südlichste Arm ist der St.-Georgs-Arm, er mündet nach einer Strecke
von 109km ins Schwarze Meer. An ihm liegen die 242m hohen fünf Hügel von
Bestepe, 20km ausserhalb von Tulcea, und Wahrzeichen des Donaudeltas."
Von diesem Arm aus sind wir auch zu unserem Ausflug aufgebrochen. Es ist
nur ein kurzer Ausflug, aber wir haben einen kleinen Eindruck bekommen,
wie gewaltig die Natur eben sein kann. Mit viel Wasser, vielen Tieren
zu, kleinen Nebenarmen in normalen Zeiten. Und eben auch Trockenzeiten
wie dieses Jahr 2012. (Eine kleine Anmerkung: 2013 haben Freunde von uns
die gleiche Reise gebucht. Sie kamen nur bis kurz vor Budapest und
mussten die Reise in Bussen fortsetzen, weil zu viel Wasser in der Donau
war. Sie haben die Einfahrt ins Schwarze Meer erlebt, aber nicht den
Komfort des schwimmenden Hotels und die Schönheit des Flusses.)
Bei der Rückkehr auf unser Schiff haben wir noch einmal einen schönen
Blick auf unsere Heimat für 16 schöne Tage.
Kaum an Bord, gibt es Mittagessen und wir treten die Rückreise an.
Irgendwie stimmt es wehmütig, dass der erste Teil der Reise so schnell
verging. Andererseits liegen aber auch noch 8 schöne Tage vor uns.
Und ich nehme euch alle gern weiter mit.